
Neighborhood Brats – Eine der großartigsten Livebands derzeit verbinden die geilsten Elemente des Punk und Hardcores. Irgendwo zwischen den Avengers, Runaways und Black Flag wirfst du deinen Kopf an die Wand. Und weil dieses Snotty-Kungfu-Powerhouse ab Mittwoch, 11. April, wieder in Europa unterwegs ist und sie eine neue Single im Gepäck haben, mailte ich Jenny und George ein paar Fragen. Das Ergebnis seht ihr hier.
Tut euch selbst einen Gefallen und geht zu allen Shows, nah und fern!
Das letzte Mal haben wir uns auf eurer vorherigen Europa-Tour gesehen, auch da gastiertet ihr bei uns in Frankfurt. Was ist dazwischen passiert und sind Bassist/Tony und Drummer/Luke noch an Bord?
George: Tony ist immer noch dabei. Luke ist ziemlich beschäftigt mit seinen anderen tourenden Bands, wie Swingin Utters, aber er empfahl uns Gabe Katz und der ist unser aktueller Vollzeit-Trommler seitdem. Wer weiß, vielleicht hilft Luke uns mal wieder aus. Wir sehen uns noch regelmäßig, ich hab ihn erst letztets Wochenende gesehen.
Seit unserem letzten Treffen haben wir die Songs für die „Nightshift-Single“ aufgenommen, welche eigentlich mal als Demo gedacht waren. Die Lieder sind zu gut um sie nicht zu veröffentlichen. Wir sind außerdem ein wenig getourt, ein paar Shows in Kalifornien, ein paar im Mittleren Westen. Im März kehren wir für einen Kurztripp an die pazifische Nordwestküste zurück, um dann für 24 Shows nach Europa zu kommen. Unsere vierte Europa-Tour!
Letzte Woche haben wir einen Song für eine geplante 12-Inch aufgenommen, wir waren fleißig, bleibt gespannt, haha!
Wohnt und lebt ihr immer noch so weit voneinander entfernt?
George: Luke lebte in Vegas. Ich wohne in Long Beach, die anderen leben alle um die Bay Area verteilt. Das sind ca. fünf Stunden Fahrt und eine Stunde Flug. Meistens fahre ich die Strecke, ich bin ganz gerne unterwegs. Ich habe mal sechs Jahre in San Francisco gelebt, das ist quasi wie ein zweites Zuhause für mich und ich komme gerne zur Bandprobe. Vielleicht ziehe ich auch mal wieder zurück eines Tages, aber im Augenblick ist es leichter für mich im Raum LA zu leben und zu arbeiten.
Ihr tourt im März, April und Mai, was macht ihr neben der Band? Musstet ihr Jobs kündigen, oder aufgeben? Welchen Stellenwert haben Job und Band bei euch?
George: Ich kann nicht für die anderen sprechen, aber ich hab keinen Full-Time-Job. Ich arbeite als Freelancer fürs Fernsehen, als Live-Technical-Director, also bei Live-Schaltungen. Die Studios fragen mich an, wenn sie mich brauchen. Ich neige dazu, mir zu viel aufzuhalsen, aber einen emotionalen Hang zu meiner Arbeit hab ich nicht wirklich. Ich pflaster mich ziemlich zu, mach meine Arbeit und das war’s. Ich hab die meiste Zeit meines Lebens beim Fernsehen gearbeitet, das schlägt jeden „echten“ Job, es ermöglicht mir auf Tour zu gehen, wann und so oft ich will und es stattet mich mich genügend Geld aus, um Bandkram, Flugtickets oder Merch für uns zu bestellen, wenn wir es brauchen.
Jenny: Ich wohne in Oakland California – Stadt der Träume. Stadt an der Bay. Home of the rockin Crawfish!
Ich bin eine Yoga-Lehrerin und ausgebildete Kosmetikerin. Wenn meine wildesten Träume wahr würden, wäre ich Vollzeitmusikerin und unterrichtete Yoga, wenn ich daheim wäre. Aber im Augenblick brauche ich noch meinen Alltagsjob. Mein Job ist ok, die Kollegen sind nett und sie lassen mich auf Tour gehen. Yoga erlaubt mir etwas zu 100% Stressfreies zu machen und flexibel zu bleiben, z.B. für meine Bühnenmoves. Yoga ist eine großartige Übung für Musiker, sieh dir Ray Of Today und Porcell an! Yoga erlaubt mir meine eigenen Pläne zu machen und zu unterrichten, wenn ich Zeit habe. Und ich biete hiermit jedem Gastgeber unserer Tour Morgen-Yoga-Unterrichtsstunden an, haha!
Ok, Morgen-Yoga-Stunden, angenommen, haha. Das letzte Mal, als ich das versucht habe, konnte ich nichtmal in der bequemen Ausgangsposition sitzen. Wenn es nicht zu persönlich ist, du hast deinen Lebensstil in den letzten Jahren von grundauf umgekrempelt, lebst ein bewussteres Leben, kann ich das sagen? Was hat dich dazu bewogen und wie würdest du deinen Weg zu deinem aktuellen Ich beschreiben?
Jenny: Ich hab schon als Baby Yoga gemacht, damals meldete meine Mutter mich auf einem Montessori Kindergarten und Vorschule an und die unterrichteten Yoga. Es war also sehr natürlich für mich. Ich war auch eine Zeit lang eine professionelle Tänzerin und Yoga gehörte zu meinem Programm. Yoga ist sehr unterschiedlich für jeden und es gibt viele verschiedene Stile. Der Stil, den ich unterrichte nennt sich Vinyasa und ist ein schneller, detoxender Flow, fast wie Tanzen. Wenn du in keiner komfortablen Position sitzen kannst, kannst du sogar liegen. Du benutzt die Pose, um in deinen Körper zu gelangen, nicht deinen Körper, um in die Pose zu gelangen. Yoga sollte nie weh tun, finde einen Stil, der dir zusagt und fang ganz langsam an.
Ich hab mein Leben definitiv verändert und bin näher zu mir selbst gekommen. Alles was ich sagen kann, ist, dass ich Verhaltensweisen etabliert hatte, die mich und andere verletzten. Nachdem sich das Schema nur noch wiederholte, habe ich irgendwann eingesehen, dass mich das nicht weiterbringt. Man sagt, die Definition von Irrsinn sei immer wieder dasselbe zu tun und zu glauben, damit zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Also entschied ich mich, gesund zu werden und mein Leben in kleinen Schritten zum Positiven zu verändern. Das hatte nicht nur positive Auswirkungen auf mich als Mensch, sondern auch auf meine Bands, meine Beziehungen zu anderen und mein Leben außerhalb der Band. Ich bin eine, verflucht nochmal, erwachsene Frau jetzt!
Mein Respekt. Jenny, in wie weit ist moderner Feminismus ein Thema für dich? Und wie denkt ihr als Band darüber?
Jenny: Hier ist meine Meinung zu modernem Feminismus. Ich bin eine Frau, ich bin modern, also bin ich vermutlich eine moderne Feministin. Ich habe viele Meinungen und zu vielen Themen etwas zu sagen, aber ich bin eigentlich eine sehr private Person und ich habe herausgefunden, dass es meine Aufgabe ist, Musik als Werkzeug dafür zu verwenden, meine Gedanken rauszutragen. In der Öffentlichkeit verhält es sich so, dass ich meine Meinungen oft für mich behalte, aus Kontroversen halte ich mich meistens heraus. Es ist einfacher so.
„Feminismus“ steht für mich für meine feminine Power. Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich nicht auf meine Intuition, oder auf meine Instinkte gehört habe, nur um nicht als schwierig, zu fordernd, oder schlichtweg als Bitch zu gelten. Ich habe lange andere über mich hinweggehen lassen, weil ich meine Wünsche und Bedürfnisse als Frau nicht zugelassen habe, bzw. sie nicht ernst genommen habe. Als Frau bekommst du oft das Feedback, dein Verhalten sei „hysterisch“, du würdest überreagieren, oder Dinge unnötig aufblasen, wenn du auf deine innere Stimme hörst, oder dich überhaupt einmischst. Erlebst du das über einen längeren Zeitraum, löst das Ängste in dir aus. Feministin zu sein heißt für mich, meine Bedürfnisse zu hinterfragen und diese als wichtig zu erachten. Meinen Mund aufzumachen, nicht leise zu sein und anderen nicht zu erlauben, mich respektlos zu behandeln. Wenn sich etwas komisch oder falsch anfühlt – IST es falsch und ich benutze meinen Glauben an mich selbst, um meine Selbstzweifel zu überwinden, ihnen Einhalt zu gebieten.
Feminismus ist nicht unbedingt ein Thema, welches ich explizit in unseren Texten bearbeite, aber Moment, doch in „Comfort Woman“ spreche ich es an… Egal, ich finde, dass ich meiner feministischen Stimme am besten durch meine Bühnenpräsenz zum Ausdruck verhelfe. Was ich auf der Bühne mache ist unique und ich steh voll in meiner femininen Kraft!
Jenny, was hältst du davon, wenn ihr als eine Band mit Frontfrau gelabelt werdet? Seht ihr viele Flyer, oder Showankündigungen dieser Art, „Punkband mit Frontfrau“?
Jenny: Es ist nun mal so, dass ich weiblichen Geschlechts bin und ich bin die Sängerin, das ist es und das ist alles. Natürlich werde ich so gelabelt, ich bin eine Frau und ich stehe „in the front“.
Ja, aber was soll der Exoten-Bonus?
Jenny: Ich fühl mich nicht anders als der Rest der Band, will keine Extrabehandlung, keine Extrarücksichtsnahme. Ich meine, wenn George der Sänger wäre, wäre er auf den Postern und ich müsste ihm den Spagat, die Flying-Roundhouse-Kicks und die anderen weirden Dancemoves beibringen, vielleicht besser für meinen Rücken, haha.
Ich versuche auch kein Rollenmodell zu sein, bloß die möglichst authentischste Jenny zu sein und Spaß zu haben. Wenn ich damit andere Frauen inspiriere eine Band zu gründen, dann ist das großartig. Aber eigentlich ist es mir egal, welches Gender du hast. Gründet Bands, Leute! Seid ihr selbst! Seid angstlos!!
George: Ich seh Jenny als mein Spiegelbild. Sie ist meine beste Freundin und wir schreiben die Songs zusammen, es ist wie Chemie. Was ich damit sagen möchte, Gendergrenzen sind Bullshit, Freedom-Of-Expression ist der Hit, jemanden sehr Speziellen zu haben mit dem man Songs schreiben kann ist noch besser!
Es ist schade, dass immer noch Leute versuchen mit diesem „Gimmick-Klischee“ zu fischen. Unsere Band wird ziemlich stark von Jennys Performance represäntiert. Ich bin nur der Gitarrist, wenn jemand mich auf den Flyer packen würde, würden die Leute denken: „ Oh, Jack Black hat jetzt ne Punk Band?!?“
„Night Shift“, die A-Seite eurer neuen Single ist ein ziemlicher Kracher, mir kommen sofort die RUNAWAYS in den Sinn. Wie ist es zu dem Song gekommen, was hat euch inspiriert und wovon handelt der Song?
George: Ich hab den Refrain vor Jahren geschrieben, nachdem ich einen Job gekündigt hatte, bei dem ich jeden Tag super früh morgens zur Arbeit musste. Das war, als ich zurück nach LA gezogen bin und ich das erste mal seit langem wieder die Nachtschicht arbeitete.
Auf der anderen Seite, bezogen auf Punk, hab ich das Gefühl, die Leute jagen ihren eigenen Schwanz und erzählen dumme Sachen. Ohne ins Detail zu gehen, aber es soll auch ein Song darüber sein, wer wir sind. Wir sind keine Szenetypen innerhalb einer Gruppe, in der wir uns nur um uns selbst drehen. Es geht ums Rausgehen, präsent sein.
Das klingt gut. Apropos rausgehen, es gibt augenblicklich einen Haufen heißer Latin-Punk-Bands in Californien, z.B. Generacion Suicida, kennt ihr die?
Jenny: Wir haben ein paar mal mit ihnen gespielt, einmal in Kiwi’s Garage. Sie sind super nett. Mark, der Soundtechniker von Station House Studio in Echo Park, der uns aufgenommen hat, hat auch „Alice Bag“ aufgenommen!
Oh cool, die Alice Bag von den BAGS, dieser Ur-Punk Band aus LA?
Jenny: Ja, cool, oder?

Ist 924 Gilman immer noch ein wichtiger Ort für die Punkszene der Bay? Seid ihr vielleicht sogar involviert, oder macht etwas da?
George: Das gibt es immer noch, aber wir sind nicht involviert. Wir spielen da im Mai. Es ist ein legendärer Ort und sie haben eine gute PA.
Was reißt euch denn aktuell, oder immer noch von den Stühlen? Was, an Punk und Hardcore, übt aktuell einen großen Einfluss auf euch aus?
Jenny: Meine aktuelle Playlist ist voll mit altem RAMONES Kram und alter Youth-Crew Harcore aus den 80ern und 90ern macht mich ebenfalls gerade sehr glücklich.
George: Chain Whip aus Vancouver ist der übelste Scheiß! Wir haben kürzlich mit ihnen gespielt, das war der Hammer.
Outside Looking aus Chico – exzellente Band, exzellente Typen!
DMFK aus TJ sind absolut irre.
Frontier Club sind vielleicht meine liebste SoCal Band im Augenblick!
Es kommen gerade super viele Bands raus und ich bin gerade dabei, ein 26 Bands Tape rauszubringen, alles Freunde, alles Bands aus Californien.
Und ich kann es kaum erwarten nach unserer Tour Daylight Robbery in München zu sehen.
Alles, womit ich aufgewachsen bin, landete inzwischen im Mülleimer der Punkgeschichte, wo auch einiges echt hingehört. Die Kids heute interessieren sich viel mehr für Politik und sind da auch weitaus sensibler, was manche der „alten Bands“ fast obsolet macht. Aber das inspiriert mich, Punk verändert sich und das ist gut so. Ich bin ein Jahr vor „London Calling“ geboren, die meisten Hardcore Bands sind Metal geworden, bzw Cock Rock, als ich zur Highschool ging und als ich in meinen Zwanzigern war, haben die meisten der so genannten „Old School Bands“ herausgefunden, dass sie nur die Hits spielen mussten und die Leute sind wieder zu ihren Shows gegangen und der Zug fuhr weiter.
Vieles hat sich verändert und eine Menge alter Punks kommen da schlecht drauf klar, was zielmlich rückwärtsgewandt ist, von einem progressivem Blickwinkel, den Punk ja zumindest immer für sich proklamiert hat. Für Kids heutzutage ist ihr Zugang zu Informationen unmittelbar geworden und du wirst keinen mit einer „Back in the old days-Aussage“ beeindrucken können. Punk ist kein Classic-Rock. Keiner interessiert sich für deinen langweiligen Bullshit. Wenn du lange genug dabei bist, oder warst, siehst du, wie sich alles wiederholt und es ist recht erfrischend, wenn sich ein paar Sachen verändern und die Bewegung erneuern.
Danke euch vielmals! Habt ihr ein paar letzte Worte? Gibt es irgendetwas, auf das ihr euch auf eurer kommenden Europa-Tour besonders freut?
George: Ich freu mich drauf, eine Zeit aus Southern California raus zu sein. Ich hab heute 2,5 Stunden im Stau gestanden und gestern 3, das ist doch kein Leben!
Ich freu mich besonders darauf ein paar alte Freunde aus Highschool Zeiten zu treffen. Einer lebt in Norwegen, der andere in Finnland, ich hab sie seit dem Frühjahr ’95 nicht mehr gesehen. Außerdem freu ich mich meinen Kumpel Andreas zu treffen, er lebt in Schweden und wir haben uns auf einer Tour mit meiner alten Band 2009 kennengelernt. Aber am meisten freue ich mich darauf, mit unserem Tourmanager Michl zu chilln, er zitiert gerne Over The Top-Zitate und hat eine Auswahl der besten Simpsons-Scherze im Programm. Michl ist der Beste!
Jenny: Jenny freut sich sehr darauf ein BBQ in Dennis Garten zu haben und im Burghochbett seines Sohnes zu schlafen, haha.
Ich freu mich sehr darauf, Falcos Grab in Wien und Santa’s Haus in der Arktis zu besuchen. Außerdem freu ich mich eh auf jede einzelne Show die wir spielen, alte und neue Freunde zu treffen. Und natürlich, einen ganzen Monat mit meinen besten Freunden zu verbringen!
Info
Label – Taken By Surprise: Homepage, Facebook
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