Back To Future Festival 2018

3 Tage Punkrock Wellness

Wer mir im Falle eines Back To Future Festivalartikel Objektivität vorwerfen möchte, soll das gerne versuchen. Doch mittlerweile ist es das einzige Festival, das ich seit zwölf Jahren regelmäßig besuche und nun im dritten Jahr auch noch hinter den Kulissen mitstricke. Da kann man mir viel vorwerfen, bloß keine Objektivität. Also los mit der Dauerwerbesendung:

Der Donnerstag

Den letzten Stopp vor Glaubitz legen wir circa sieben Kilometer vor dem Festivalgelände, weil uns sonst die Blasen platzen. Denn vor lauter Kleinkindvorfreude auf das Waldbad und den ersten Rhabarbera mussten wir unsere Gemüter bereits mit Radler und Bier im Zaum halten. Während wir die Kurven durch Glaubitz, an Schirmers Gaststätte „Zur Rampe“ und am Dorfteich nehmen, macht sich in mir ein heimeliges Gefühl breit. Weil gleich stellen wir die Karre auf den Reitplatz, bauen das Zelt auf und lassen uns drei Tage einfach nur von hier nach da, nach dort über die verschiedenen Ecken des Festivals treiben.

Nachdem die beiden Veranstalter Daniel und Holm mit vernünftigen Bier versorgt sind – Eichbaum Ureich! – und Rhabarbera-Königin Conny mit Melonen-Schnappes, laufe ich auch schon Contra-Records-Chef Hechti in die Arme. Wie wenige weitere Sachsen, einer meiner Herzmenschen, die mich deutlich öfter ertragen müssten, würde ich näher bei ihnen wohnen. Die chinesischen Demerit fallen als Opener für mich dafür aus und ich steige mit The Bombpops ein, deren Set auch schon fortgeschritten ist. Die zierliche Sängerin sieht wirklich so schnuckelig wie auf den Bildern und in den Videos aus. Musikalisch passt der Ostküsten-Poppunk wunderbar zur Stimmung und den ersten Runden Rhabarbera, in den verschiedene Neulinge eingeführt werden müssen.

So sehe ich Strongbow hauptsächlich vom anderen Ende der Zeltbühne aus, wo sich die Bar befindet. Für Richie Ramone begebe ich mich mal kurz vor die Bühne. Immerhin hat er „Somebody Put Something Into My Drink“ geschrieben. Darüber hinaus finde ich den jetzt singenden und ehemaligen Schlagzeuger der Punkrock-Ikone recht dürftig bei seinem Auftritt. Pipes And Pints zum Ende des ersten Tages finde ich dann richtig gut, bloß nicht passend zu meiner eher gemütlichen Stimmung. Die Jungs sind auf der Bühne wirklich gut und gehen ab. Mir ist das zu wild und ich mache die Biege Richtung Zelt. Immerhin stehen noch zwei wirklich lange Tage bevor.

Der Freitag

Pippi machen, Zähne putzen, ab ins Waldbad. Denn erstmals in der traditionsreichen Geschichte des BTF spielen die Badmatadore Freitagmittags im Waldbad. Das möchte ich nicht verpassen. So ähnlich denken offensichtlich ganz schön viele andere Leute ebenfalls. Nie zuvor sah ich das Waldbad bereits freitags derart bevölkert. Bevor die Badmatadore beginnen zu spielen verteile ich noch mit Janik das dieses Jahr erstmals stattfindende Festivalquiz. Dabei müssen die Teilnehmer 45 Fragen aus den Bereichen Festivalbands, Fragen zum Festivalort Glaubitz und Punkrock-Allgemeinwissen beantworten. Dem/der Gewinner*in winkt unter anderem das Ticket für 2019. Während wir das Quiz den Leuten aufdrängen, werden wir öfter mal zu leckeren selbstgemachten Bowlen und Cocktails eingeladen. Die Begeisterung ist uns von Einladung zu Einladung mehr ins Gesicht gemeißelt. Nach der lokalen Eröffnungsband schmettern die Badmatadore ein Set, das vom Sound her doch sehr nach einer anderen Band, die hier jedes Jahr spielt …

Bis zur ersten Band auf dem Festivalgelände werden die Käsemauken abwechselnd in der Sonne oder dem Wasser geparkt. Totenwald haben dann eben das Pech, die erste Band des Tages zu sein. Und obendrein als Batcave-Punx am hellichten Tag bei strahlendem Sonnenschein spielen. Aber gut so ist das manchmal. Das ganze Set schaue ich mir auch nicht an, stattdessen schlappe ich Martin und Alex, den beiden Filmleuten, hinterher auf den Zeltplatz. Während sie fleißig Material für den Clip sammeln, schließe ich Bekanntschaften, lade mich kurz auf einen Geburtstag ein oder plappere dazwischen, wenn ich denke eine unfassbaren guten Beitrag leisten zu können.

Vom Zeltplatz zurück sprinte ich noch fix zu Die Dorks, um die letzten Lieder zu hören. Auch wenn die Musik nicht Einhundertprozent mein Ding ist, finde ich die Truppe von ihrer Attitüde her ganz wunderbar. Rude Pride im Anschluss wissen mich zu begeistern. Eine wirklich klasse Skinheadband, die über den typischen Tradtionskrempel hinaus ganz klare politische Statements haben, die einwandfrei in die richtige Richtung gehen.

Von Gießen Asozial aka Pestpocken weiß ich das ebenso zu berichten. Die BTF-Debütanten haben sichtlich ihren Spaß und ich auch. Eine Band, die ich eigentlich schon so lange kenne, wie es sie gibt. Zwei Jahrzehnte, in denen man bei verschiedensten Aktionen schon miteinander zu tun hatte oder auch mal gemeinsam auf der Mondiali Anitrazzisti in Italien war – eine Art alternative internationale Fußballmeisterschaft mit hunderten Mannschaften aus allen möglichen, auch außereuropäischen Ländern.

Razzia auf der Hauptbühne stecke ich mir dann fast wieder komplett. Ein Freund aus Frankfurt berichtete mir von deren eher lahmen Auftritt dort. Leider sehe ich es auch nicht anders. So bleibe ich bloß kurz vor der Bühne und wackele Richtung Zeltplatz, wo die illustre Runde gerade dabei ist Berliner Luft zu atmen. Die netten Menschen, mit denen ich pflege zu reisen helfen mir dann auch direkt, bei der plötzlich eintretenden Schnappatmung.

Vor die Bühne treibt es mich erst wieder bei Bad Co. Project. Mir ist zwar klar, dass Sänger Sucker vorher bei Oxymoron sang, doch das sie so viele Oxymoron-Lieder zocken, war mir nicht bewusst. Einerseits hat das zwar ganz viel von einer Coverband. Andererseits stört es mich aber nicht, weil ich Oxymoron früher wirklich abgefeiert habe. Trotzdem ist es gut, dass die jetzige Band neue Aufnahmen macht. Deren letztes Album ist immerhin auch schon acht Jahre alt.

In der Umbaupause zu Knochenfabrik verliere ich die Bindung an die Hauptbühne, was insgesamt nicht so wild ist. Ich mag Claus Luer wirklich gerne und mit Achim schrieb ich paar mal hin und her, doch so richtig mitreißen können die mich live heute nicht. Vielen geht es ähnlich. Andere wiederum würden gerne vor Freude einen Salto schlagen, raten sich aber gerade noch so gegenseitig davon ab.

Anti-Flag habe ich schon lange nicht mehr gesehen und freue mich drauf, dass es mal wieder so weit ist. Anfangs stehe ich am Rand, dann mal neben Sänger Chris #2 und Drummer Pat als sie ins Publikum steigen und hinterher ganz woanders. Bei den Politpunks ist ordentlich Bewegung drin. Das finde ich klasse und noch besser, dass ich danach deutlich fitter bin, als vor ihrem Auftritt.

So schaffe ich es zumindest noch kurz zu den Eastside Boys, die auf Abschiedstour sind. Auf dem Back To Future 2018 habe ich sie somit das letzte Mal gesehen, sollte es nicht zu einer Reunion kommen. Den Tagesabschluss mit Spider erlebe ich nicht mehr. Dafür bin ich jetzt wirklich zu platt. Bleibt die Frage, ob ich es zu Pisse geschafft hätte, wenn sie nicht vor ungefähr zwei Wochen abgesagt hätten. Ist mir im Moment aber auch latte, ich nicke bereits ein und freue mich, dass sie 2019 den Auftritt nachholen wollen.

Der Samstag

Und täglich grüßt das Murmeltier: Pippi machen, Zähne putzen, ab ins Waldbad. Bloß kommen Janik und ich heute nicht weit. Wir werden von der Bierbutze direkt wieder zurückgeschickt, wir sollen noch mehr Quizze ausdrucken, es besteht erhöhter Bedarf. Gesagt, getan. Dem Wunsch der ratewütigen Gäste kommen wir doch gerne nach. Währenddessen und danach fläzen wir in der Sonne, hopsen mal ins Wasser und Rob vom Plastic Bomb wird getunkt, da er deutlich galanter vom Sprungbrett abhebt als ich. So geht’s ja schließlich auch nicht.

Nach so viel Erholung muss ich zur ersten Band des Tages: Terrorfett! Knalliger Hardcorepunk, deren Schlagzeuger der Betreiber einer der besten Punkrockschuppen Deutschlands ist. Die Rede ist von der Alten Hackerei in Karlsruhe. Kneipe, Bar, Biergarten mit Foodtruck und Tischtennisplatte at it’s best. Das Rumtreiben vor der Bühne reißt mich bei dem Wetter aber auch ordentlich zusammen. Von F*cking Angry, Arrested Denial und Grade 2 bekomme ich nur Ausschnitte mit. Dafür begrüße ich Cyanide Pills mit Rharbabera. Sie sind sichtlich überrascht als erstes Getränk auf dem Gelände gleich diese leckere „BTF-Limo“ an den Hals gedrückt zu bekommen. Doch wirklich sauer sind sie im Nachhinein nicht, stattdessen grinsen sie selig.

Das sollen sie mal machen, ich muss zu Telekoma. Die haben Ende letzten Jahres mit Die Wurzel Allen Übels wieder eine deutschsprachige Hardcorepunkplatte veröffentlicht, die in einem ganz eigenen Kaliber gemessen werden muss. Wütend, sauer, angepisst bis in die Haarspitzen und die Fans bis auf’s Komma textsicher. Dem Trio aus Frankfurt/Oder muss man erstmal das Wasser reichen. Hinterher sinniere ich, dass der Bühnenstil von Sänger Ben doch sehr an Lemmy erinnert. Für mich sind sie ab jetzt die Motörhead des Punk.

Ich muss dann aber mal los, immerhin spielen gleich Nasty Rumours. Sagenhafter ’77-Punkrock. Garstig, schneidig, zuckersüß! Wie schön, dass sie im Zelt auftreten, weil dort alles so hübsch kompakt ist. So ne Band ist irgendwie nix für Open-Air-Bühnen, auch wenn ich ihnen die gleiche Anzahl von Zuschauern gönne.

Doch kurz vor Schluss fällt mir plötzlich ein: Shit, spielen denn nicht gleich die Lokalen und vorher muss noch der Quizgewinner bekannt gegeben werden? An der Hauptbühne angekommen, grinst mir glücklicherweise Janik lässig entgegen. Im Gegensatz ist er schon vorbereitet. Die Verkündung ist leider laienhaft, ich habe es verpennt mir was zurechtzulegen. Ich kündige ihn viel zu hurtig als großen Quizmaster an (was er auch wirklich ist) und er fängt vor lauter lauter mit dem ersten, anstatt dem dritten Platz an. Profis sind wir halt nicht. Dafür hat die Gewinnerin 74 von 94 erreichbaren Punkten. Ziemlich gut wie wir finden und nächstes Jahr läuft das anders. Überlegt euch gut, ob ihr mitmacht, am End‘ holen wir euch auf die Bühne!

Aber jetzt, Fisch lässt sich noch schnell nen Smiley auf den Bauch zimmern und ab geht’s. Er auf die Bühne, unsere Reisegruppe davor. Bands von der Bühne aus schauen ist nämlich doof. Da sieht man die Musiker in der Regel von hinten und alle sind am feiern, bloß man selbst nicht so wirklich. Es wird ein Hit nach dem anderen geschmettert und ich frage mich wie jedes Jahr: Wie kommt man auf solche Texte und wieso singe ich die eigentlich (fast) alle mit. Aber im Moment gibt es wichtigeres, um sich hochphilosophisch den Kopf zu zerbrechen. Denn „Ich weiß nicht, was sich machen soll, mein Bier ist leer und deins ist voll. Ich bete schon zum lieben Gott, wann geht er mal zum Pott. Ich trink dein Bier!“

Warum ich die Hillbillies sausen lasse, kann ich gar nicht recht beantworten. Na egal, jetzt kommen Dritte Wahl und ich bin auf die Rockshow gespannt. Das letzte Mal waren sie glaube ich 2010 hier und da waren sie sozusagen noch normal. Mittlerweile sind die aber ne richtige Größe geworden und füllen auch mal Hallen, die die 1.000er-Marke überschreiten. Da gibt’s dann eben auch etwas mehr Gebimmel außen herum. Irgendwann werden leuchtende Geschosse in die Luft gejagt, die bei ihrer Landung immer noch leuchten. Es handelt sich dabei um unterarmdicke circa 40 cm lange, weiche und biegsame Zylinder. Für jeden Dritte-Wahl-Fan ein richtig tolles Konzertsouvenir, find‘ ich klasse. Na und die mega Konfettikanone zum Schluss setzt der zwischendurch nochmal einen obendrauf. Insgesamt eine Show, wie ich sie beim Back To Future noch nicht gesehen habe. Ich bin ziemlich beeindruckt und freue mich schon auf Feine Sahne Fischfilet.

Doch vorher checke ich noch wie Cyanide Pills den Rharbabera verkraftet haben. Offensichtlich hervorragend. Die Partyhampel aus Leeds geben alles. Dafür und für ihre Songs liebe ich sie. Zusammen mit den Nasty Rumours sicher die beste ´77-Punkband, die derzeit regelmäßig live unterwegs ist.

Auf dem Rückweg vor die Hauptbühne wird mir so richtig bewusst wie voll das Gelände heute ist. So voll wie ich es vorher noch nicht erlebt habe. Gut, vorher hat aber noch nie eine vergleichbar große und aktuell angesagte Band wie Feine Sahne Fischfilet hier gespielt. Auf dem Weg nach vorne sehe ich wie die erste Bengalofackel gezündet wird, es dauert nicht lange und die zweite sprüht Funken, bevor der dichte Rauch folgt. Wie geil. Die Introlieder sind vorüber und es geht los heute Nacht! Im Vorfeld wurde viel über den Auftritt geredet oder diskutiert. Und ebenso wie alle Gespräche ausgingen, die ich verfolgte, ist es auch bei dem Konzert. Zur Musik kann man stehen wie man will, doch inhaltlich kann man die Band nur unterstützen. Sprich die meisten tanzen und feiern ausgelassen, die Kritiker stehen daneben. Keine Ahnung ob noch mehr Toleranz möglich ist? Für mich war es auf jeden Fall ein besonderes Konzert. Ich liebe das BTF und freue mich das Feine Sahne da waren.

Der Vollständigkeit des Line ups halber komme ich kurz vor’m Ende des Sets noch zu Bonecrusher. Dort bin ich erstaunt, wie viele Leute noch so viel Energie haben. Die Security hat nochmal richtig Arbeit das Publikum im Zaum zu halten und ihm zu helfen sich beim überqueren der Gitter vor der Bühne nicht wehzutun.

Den Abschluss in diesem grandiosen Jahr macht Lulu mit ihrer Einhornfarm. Hätte ich es ihr vorher nicht versprochen, wäre ich vielleicht nicht mehr gekommen so müde bin ich mittlerweile. Doch ein paar Beleidigungen möchte ich mir noch anhören, bevor ich auf dem Rückweg zum Zelt noch einen Schlenker an Connys Bierbutze mache, um mit ihr den letzten Rhabarbera für dieses Jahr zu trinken. Danke für den lecker Drink die Dame, wir sehen uns 2019 sicher wieder beim Punkrock Wellness!


Infos:

Festival-Homepage

Festival-Facebook


Bocky
Letzte Artikel von Bocky (Alle anzeigen)
Hat Dir der Beitrag gefallen? Dann tritt unserem SUPPORTERS CLUB bei und unterstütze uns bei Patreon!
Become a patron at Patreon!

1 Trackback / Pingback

  1. Mitten durch den Kopf #2 - Polytox

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*