
Der geneigte Streetpunk-Fan weiß es natürlich schon lange, am Freitag den 5. Mai erschien mit Forever das neue Cock Sparrer Album. Ne Langrille, der ich zwar nicht entgegen fieberte wie ein Teenie seinem ersten Mal. Denn auch wenn die Band unbestritten eine Ikone ist und ziemlich viele Hits vorzuweisen hat, kann ich die Engländer einfach nicht über den grünen Klee loben. Dafür gibt es einfach zu viele Ungereimtheiten, auf die ich weiter unten zu spreche komme.
Die Album-Kritik
Trotzdem muss man auch Forever zugestehen, dass es ne richtig gute Cock Sparrer Scheibe ist. Gleich von Beginn an – One By One – werden die Engländer dem Niveau gerecht, das man von ihnen erwartet. Die Melodie geht direkt ins Ohr und sobald Sänger Colin McFaull das zweite Mal zum Refrain ansetzt, kann man schon direkt mitsingen. Dieses Level wird insgesamt ein Dutzend Songs lang auf der LP gehalten – auf der CD sind es 16 Lieder. Zwar ist es wie üblich kein All-Killer-No-Filler-Album, dennoch hat es extrem viel Power und Energie, was man von einer Band zehn Jahre nach dem letzten Album und im 45. Jahr seit ihrer Gründung (1972 noch als Pub-Rocker), nicht unbedingt erwarten kann. Insofern Hut ab vor der Leistung noch einmal so eine starke Oi!-Scheibe abgeliefert zu haben. Dass dies entsprechend honoriert wird, beweisen beispielsweise drei aufeinander folgende Konzerte im Berliner SO36, wovon zwei bereits ausverkauft sind.
Die Label-Kritik
Doch wie bereits erwähnt, kann ich den Engländern nicht guten Gewissens einen Persilschein erteilen. Ich war weder fickerig noch hatte ich nen super-duper-Viagra-Dauerständer, bis ich den Link zu den mp3s bekommen habe, doch so ernüchtert wie damals nach der ersten Kopulation, als ich sah, dass Forever in Deutschland bei Randale Records erscheint. Einem Label, dem ich heutzutage zwar mit etwas mehr Altersmilde gegenübertrete, es jedoch keinen Deut besser finde, als noch vor zehn Jahren. Denn dafür veröffentlichen die viel zu viel geistigen Müll wie zum Beispiel frühe Krawallbrüder oder vor ein paar Jahren das noch aktuelle Album The Return der früheren Oi!-Heroen 4-Skins, auf dem offen gegen Ausländer gehetzt wird. Beziehungsweise verticken Randale Records Artikel von Bands des niederländischen Rebellion Records Label, wo Bands wie Discharger, Badlands oder auch die Band des Label-Betreibers Razorblade veröffentlichen. Also alles Bands die im Zeitraum von 1998 bis 2007 im niederländischen Blood & Honour Club De Kastelein aufgetreten sind. Sprich, Randale Records hat zumindest Geschäftsbeziehungen zu Menschen, die Auftritte im B&H-Umfeld hatten und Alben von Bands veröffentlichen, bei denen das ebenso ist. Wohlgemerkt: B&H sind keine wirren Neonazis, sondern waren gut strukturierte Gewalttäter – und sind das verschiedenen Recherchegruppen nach im Untergrund heute immer noch. Gru-se-lig!
Die Booking-Kritik
Um das Bild zu vervollständigen, muss man auch das Booking der Band erwähnen. Die Rede ist vom allseits bekannten und beliebten MAD Tourbooking aus Berlin. Neben klar politisch positionierten Bands wie Angelic Upstarts, Napalm Death sowie Sick Of It All bucht die Berliner Firma auch Konzerte für Hatebreed, Suicidal Tendencies, Cockney Rejects oder die Deutschrocker Toxpack, die alle beim Matapaloz-Festival auftreten. Das zweitägige Festival der Böhsen Onkelz im Juni 2017 für das andere schon gebuchte Bands wie The Exploited und Ignite (auch MAD Tourbooking) einen Rückzieher machten.
Weiterhin interessant im Zusammenhang mit dem Booking sind beispielsweise die Bands Lawgiver und Condemned 84. Erstere, weil dort Patricia, die Schlagzeugerin, der ausdrücklich emanzipierten Beyond Pink, singt – wobei es mich schon wunderte, dass der Aufschrei linksdogmatischer Hardcorepunks nicht zu hören war, als ihre Teilnahme am schwedischen Big Brother bekannt wurde. Zweitere, MAD hat eine Zusammenarbeit der rechtsoffenen Kultband Condemned 84 abgesagt, als sie angefragt wurden. Dem Booking kann man also auch nicht blind eine Gesinnung vorwerfen.
Die Punk-Kritik
So möchte ich abschließend kurz drei weitere Themen ganz bewusst nur anschneiden, weil ich auf die Neugier der Leser hoffe. Insofern, dass sie nicht nur die Informationen oben checken und hinterfragen, sondern auch was nun folgt. Denn die wunderbare Welt des Punkrock ist ebenso wenig kunterbunt noch rosarot und absolut korrekt, wenn man etwas genauer hinschaut.
Als erstes möchte ich dabei das jährlich stattfindende Rebellion-Festival in Blackpool erwähnen. Ich persönlich habe es noch nicht geschafft mich dorthin durchzuringen. Klar hat das durchaus etwas mit dem horrenden Preis zu tun. Zum großen Teil aber auch damit, dass ich es mir nur schwerlich vorstellen kann, dort mit klassischen Stiefelnazis zu feiern, wie es mir jedes Jahr berichtet wird. Dies von ausgemacht eher linken Personen, die mal mehr, mal weniger Probleme damit haben.
Zweitens werft mal einen Blick bei Discogs bei dem Label Step-1 Music rein. Dort stößt man sowohl auf unzweifelhafte Bands wie Angelic Upstarts, Red London, Riot/Clone, Oi Polloi, The Unseen, als auch auf zweifelsfrei rechtsoffene bis rechte Vertreter wie Close Shave, Combat 84, Condemned 84. Und checkt dann mal die Versionen, die die größeren einschlägigen Mailorder und Shops anbieten. Das dauert zwar eine Weile, kann dafür aber umso frustrierender ausfallen.
Oder, um es noch kürzer darzustellen: Dee Dee Ramone war auch ganz weit davon entfernt die hellste Kerze auf dem Kuchen zu sein.
Das Fazit
Um zum Schluss zu kommen: Ja, Cock Sparrer haben mit Forever wieder eine überragende Oi!-Scheibe abgeliefert. Bedingungslos abfeiern kann ich sie dafür aber nicht.
Format: Viny, CD, Digital
Band: Cock Sparrer
Label: Chase The Ace Records, Pirates Press Records, Randale Records
- Wenn das ein Mailorder wäre – Teil 1 - 19. September 2022
- The Baboon Show – Oddball 7´´ - 16. März 2022
- MDC/Brutaler Kater – Split 7´´ - 21. Februar 2022
Kommentar hinterlassen