DAMAGED GOODS – 150 Einträge in die Punkgeschichte (Hrsg. Jonas Engelmann)

Buch

Das Buch Damaged Goods – 150 Einträge in die Punk-Geschichte versucht anhand der Musik, die Geschichte des Punks nachzuerzählen. Das gelingt ihm gut.

Damaged Goods – 150 Einträge in die Punk-Geschichte ist ein ganz wunderbares Buch und das auf mehreren Ebenen. Herausgeber Jonas Engelmann und die anderen rund 120 Autorinnen und Autoren versuchen sich an einer Geschichtsschreibung des Punks, in dem die in ihren Ohren wichtigsten 180 Punkplattem mit kurzen Texten vorgestellt werden. Dieses Unterfangen kann man aberwitzig finden, ist es sicher auch – aber es hat auch eine Menge Charme. Denn Bücher zur Geschichtsschreibung von Punk gibt es viele – meist mit einem Fokus auf ein Land oder manchmal gar auf eine Stadt. So finden geneigte Leserinnen und Leser Bücher über die Entstehung von Punk in England, in den USA, in Deutschland, in New York, in Nordirland, in Los Angeles und so weiter und so fort, eine globale Betrachtung fehlt bislang allerdings. Was nicht verwundert, denn dieses Unterfangen wäre ja aberwitzig.

Womit wir wieder bei Damaged Goods wären. Denn in gewissem Sinne wird diese globale Betrachtung zumindest angedeutet. Auch wenn der Schwerpunkt natürlich auf us-amerikanischen, britischen und deutschen Bands liegt, gibt es auch Texte zu osteuropäischen und süd- und mittelamerikanischen Bands. Davon hätte es ruhig einige Beiträge mehr geben dürfen, doch immerhin besser als gar nichts. Und es öffnet ein bisschen die euro- und us-amerikazentrierte Sicht auf Punk und die Themen, die ihn beschäftigten.

Sicher kann man über die Auswahl der Platten und Bands streiten. So fehlen Oi-Bands fast vollständig wie ebenso wie manche britischen Two-Tone-Bands wie Specials, Madness oder Selecter, die man mit ein bisschen guten Willen auch in die Punkgeschichte eingemeinden könnte. Aber darüber zu streiten, warum manche Bands auftauchen und manche nicht, ist andererseits auch müßig. Letztendlich ist es ja auch eine Geschmackssache und über Geschmack lässt sich zwar streiten, aber selten eine einvernehmliche Lösung finden. Ich halte die Auswahl deshalb im Großen und Ganzen für schlüssig und in Ordnung. Und auch, dass die Autorinnen und Autoren von der “reinen” Lehre abweichen und Punk als Geisteshaltung und weniger als starre musikalische Kategorie behandeln, sagt mir zu und kommt meinem eigenen Verständnis von Punk sehr nahe. Nebenbei führt das auch dazu, dass ich einige neue Bands kennenlernen konnte, die ich zuvor nicht auf dem zettel hatte.

Diese Art der Geschichtsschreibung hat neben dem etwas globaleren Blick aber noch zwei weitere Vorteile: sie zeigt zum einen wie sich Punk in den vergangenen 40 – 50 Jahren (je nachdem wo man persönlich den Beginn von Punk sieht) musikalisch entwickelt und in verschiedene kleine Subströmungen ausdifferenziert hat, zum anderen wiederholt sie nicht die Mär, die man sonst in den meisten Büchern zu Punk lesen kann, dass Punk seit 1980 (oder einem anderen beliebigen Datum) tot sei. Er hat sicher nicht mehr diese Wucht wie 1976/1977, er ist sicher nicht mehr so überraschend und neu und ist in vielen Bereichen genau das geworden, gegen das er angetreten, nämlich ein stinkender, alter und klischeebeladener Furz, aber “Damaged Goods” zeigt eben auch, dass es da immer noch aktuelle, aufregende Bands gibt, die Punk fortschreiben und mit ihren Mitteln ins 21. Jahrhundert transportiert haben.

Wem das alles aber zu geschichtlich und verkopft ist, kann “Damaged Goods” auch einfach als Buch von Musiknerds für Musiknerds lesen. Denn das ist es eben auch. Nerds schreiben über Platten, die sie interessant oder bedeutsam finden oder die sie musikalisch entscheidend geprägt haben. Das geschieht auf verschiedene Arten. Manchen Autorinnen und Autoren wählen den nüchternen, musikwissenschaftlichen oder -historischen Weg, um über ein Album schreiben, andere befassen sie eher mit der Wirkungsgeschichte der jeweiligen Platten und wiederum andere schreiben die persönliche Verbindung zu dem jeweiligen Werk auf. Und zwei Platten werden sogar in Form eines Comicstrips vorgestellt. Dieser Variantenreichtum sorgt dafür, dass “Damaged Goods” nie langweilig wird, egal ob man es von vorne nach hinten liest oder einfach irgendwo aufschlägt und dann liest. Da das Buch rund 370 engbedruckte Seiten enthält, ist langer Lesespaß garantiert.

Ich finde “Damaged Goods” ein tolles und sehr gelungenes Buch, nicht nur weil ich gerne Musik höre und mache, sondern auch, weil ich gerne darüber gerne lese. So funktioniert es also auch. Großer Wurf vom Ventil Verlag!

Und wer sich für einige Hintergründe und ein Hörbeispiel aus dem Buch interessiert, dem sei Folge 1 des Polytox Podcasts empfohlen. Ungefähr ab Minute 50 geht um es Damaged Goods. 

 


Info
Format: Buch
Verlag: Ventil Verlag
Verlagswebsite: www.ventil-verlag.de
ISBN 978-3-95575-061-9

Falk Fatal
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