
Dass die heutige Dead Kennedys Besetzung ohne Jello Biafra, wie Bier ohne Alkohol oder wie Kaffee ohne Bohnen ist, weiß ich selbst. Trotzdem wollte ich mir von dieser „Band“ mein eigenes Bild machen. Eben so, wie ich es bei Black Flag und Flag auch machte. So begab ich mich trotz Abratens diverser Leute auf den Weg, um etwas Leichenfledderei zu betreiben, wie ich es selbst nannte. Entsprechend heutiger durchgetakteter und straff organisiserter Eventhäusern, traf ich auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes noch während der Abenddämmerung ein. Die Stimmung dort war überaus gemütlich und entsprach in keinster Weise einem Chaostag, der anlässlich des Konzerts angekündigt war. Stattdessen unterschied sich das Publikum, von dem einer x-beliebigen Indieband in rein gar nichts. Punks oder anderes Gesindel, das man in der Regel auf solchen Konzerten begegnet, war nur vereinzelt zu sehen.
Im Innern der Halle angekommen, begann schon bald der Support Petrol Girls. Eine Indie-Post-HC-Formation aus London, die sich hörbar und dem äußeren Erscheinungsbild nach, deutlich dem Feminismus verschrieben hat. Insgesamt ne gute Sache, dass sie die Möglichkeit bekamen vor bestimmt 700 Besuchern aufzutreten. Doch leider nicht mehr. Da ich davon ausgehe, dass ihr Anliegen und die Ansagen untergingen, weil der Sound inklusive Gesang kaum die Zimmerlautstärke überschritten.

Pünktlich um 21 Uhr begann das Intro der Dead Kennedys, deren Einlauf wie zu erwarten bejubelt wurde. Jedoch nicht frenetisch von einem überaus gespannten Publikum, das darauf aus war den 1000er-Laden jede Sekunde zu Kleinholz zu verarbeiten. Vielmehr waren das Emotionen von Fußballfans, die ihren Verein mitten in der Saison sehen und klar ist, dass dieser weder absteigt, noch die Chance auf einen internationalen Rang hat. Bestimmt höflich könnte man die Geste der Anwesenden nennen. Die Reaktion der Band darauf kann man als ebenso erachten. Mit welchem Lied die ehemalige Kulttruppe eröffnete, weiß ich ein paar Tage später schon nicht mehr, weil es völlig belanglos war. Es dauerte nämlich keine Minute, bis ich mich umschaute, um zu sehen, ob ich mal wieder zu kritisch war. Doch der Blick in die Runde bewies mir: Ich war es nicht. Ein großer Teil um mich herum wippte peinlich berührt mit dem Fuß, eine Frau stand sogar mit offenem Mund da und schien ihren Augen und Ohren nicht zu trauen. Denn davon abgesehen, dass der Sound nach der Vorband nicht aufgedreht wurde, passte die Lautstärke zur Vorstellung auf der Bühne. Das hatte mehr von einer bemühten Cover-Performance, denn mit einem überzeugend-druckvollen Auftritt einer Stilikone – nur mit anderem Sänger. Wirklich keinem der Musiker konnte man nur im Ansatz abnehmen, dass sie überhaupt jemals ernst meinten wofür sie gerade vor dem Publikum standen. Normalerweise ist man es gewohnt, dass live alles schneller gespielt wird, hier war es genau umgekehrt. So stelle ich mir eine mies bezahlte Live-Backing-Band an nem Karaokeabend vor. Als reine Dienstleistung, Lächeln kostet 10% mehr. Man musste aufpassen, dass einem die Beine nicht einschlafen. Ab dem dritten Lied grinste ich einfach nur noch in mich herein und bestätigte die Personen, die mich davon abhalten wollten, den Abend im Substage zu verbringen. Ich kam mir vor wie ein Gaffer, der sich einen offen Bruch anschaut, sich jedoch nicht abwenden kann und die ganze Zeit denkt „Ach du Scheiße, wie konnte denn das passieren?“
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