DIE DORKS aus BEI(!) Marktl am Inn – Punk aus dem tiefsten Bayern

Ein Gespenst geht durch Europa: Das Assi! Den Soundtrack dafür liefern die Dorks.

Punk als Lebensentwurf und nicht als Hobby durfte ich schon sehr oft in den ländlichen Regionen dieser Republik erleben. Sinnbild für mich sind hier Die Dorks. Neben der wunderbaren Musik stehen hier sympathische Menschen mit Iro auf dem Herzen an den Instrumenten, welche allesamt aus den Tiefen der bayrischen Provinz stammen. Wir durften schon oft die Bühne teilen und so wachte ich eines Morgens nach durchzechter Nacht auf dem Hof von Sängerin und Gitarristen Lizal und Schlagzeuger Bones auf. Egal in welche Richtung man schaute; überall nur Wald und Wiese. Und mittendrin dieser Bauernhof, samt Proberaum und Bier von einer kleiner Privatbrauerei. Nicht nur ich wurde hier köstlich mit Speis und Trank bewirtet, sondern gefühlt die Hälfte der Konzertbesucher vom Vortag ließen es sich hier gut gehen. Hier konnte man eine unglaubliche solidarische Grundstimmung spüren, welche mir so aus der Stadt nicht bekannt ist. Dies hat sich immer wieder bestätigt. So strandete mal eine vom Namen mir leider nicht mehr bekannte Band im Dorksland, da ihr Auto verreckte. Ein paar Anrufe später kam ein Kumpel aus 50 km Entfernung und hat die Band mit seiner eigenen Karre weiter auf der Tour gefahren. Bei einer Release-Party der Dorks bekam der Wirt kalte Füße und hat uns vor die Tür gesetzt. Mit einer Autobatterie haben wir kurzerhand das Konzert unter einer Brücke am Inn gespielt. Der Dorfbulle kam vorbei und hat uns noch gesagt, dass wir aufräumen sollen. In Stuttgart wäre das sicherlich mit dem SEK gelöst worden. Das Konzert war sehr emotional und einer meiner schönsten Abende.

All dies und das sehr zu empfehlende Album „Duschen auf Staatskosten“ auf Sn-Punx waren Anlass genug einige Fragen nach Marktl zu senden, welche vor allem durch Lizal beantwortet wurden. Ursprünglich war dies für ein mir völlig unbekanntes Zine namens Punkrock! gedacht, da aber die Antworten zeitlos sind und es den Schmierlappen nicht mehr gibt, möchte ich gerne diese Plattform nutzen, das Interview zu veröffentlichen. Mittlerweile haben die Punks noch eine Platte nachgelegt (Urlaub in der BRD). Ihr erfahrt vor allem wie es sich so lebt als Punk auf’m Land und dass dann doch nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen ist.

Die Dorks, ne echte Freunde-Band
Die Dorks, ne echte Freunde-Band

Ihr habt euch mal wieder selbst fett das Prädikat „Deutschpunk“ gegeben. Was soll Deutschpunk eigentlich sein und was ist ein Assi?

Wer sagt dass wir uns das Prädikat „Deutschpunk“ selber verliehen haben? Ich möchte uns da gar nicht in eine Schublade stecken, da wir stilistisch doch auch ’ne Portion Rock`n Roll, Ska, Metal und HC-Elemente mit drin haben. Dem klassischen 3-Akkorde-Liebhaber gefällt unser neues Album vielleicht gar nicht. Viele Songs, gerade jetzt die neuen, sind auch sehr melodisch gehalten, so dass man das gar nicht als klassischen „Deutschpunk“ definieren kann. Mir ist die Definition auch völlig egal, Punk ist für mich alles, das durch Texte überzeugt, die von Herzen kommen.

Mir ist die Definition auch völlig egal, Punk ist für mich alles, das durch Texte überzeugt, die von Herzen kommen.

Punkrock ist für mich Musik ohne Grenzen, mit Texten die durch Attitüde bestechen, egal ob kritisch oder ironisch. Und zum Thema „Assi“: Ein „Assi“ ist für mich ein Mensch, der immer seinen eigenen Weg geht, ohne auferlegte Zwänge von der Gesellschaft, wie auch innerhalb der Szene. Also auch so ein Querulant, der in keine Schublade passt. Leider ist unsere Szene voll von Schubladendenkern. Ich würde mir wünschen, dass die Leute wieder mehr „back to the roots“ gehen, zu den Wurzeln des Punk und wieder „Echte Assis“ werden, um mal einen unserer ältesten Songs zu zitieren. Geh deinen Weg und mach die Musik, die du für Punk hältst. Nur dann ist es auch Punk!

Auch mit der neuen Platte schafft ihr wie immer thematisch ernste Themen, aber auch Spaßiges anzusingen. Zufall oder Methode? Warum singt ihr nicht mehr auf bayrisch; kommt nämlich sehr gut.

Uns war es seit den Anfangstagen immer wichtig, beides zu kombinieren. Zum einen, ist es immer wichtig kritische, zeitgemäße Themen in den Songs zu verpacken. Trotzdem meine ich, dass sich niemand zu sehr darauf versteifen sollte, gewollt kritisch zu sein und seine Songs nach einem engstirnigen Prinzip zu schreiben. Wie ich eben schon mit der Musik sagte, muss es von Herzen kommen. So ist es auch mit den Texten, und wenn wir heute einfach mal ganz belanglos „Irgendwie, irgendwo, Flaschenpfand“ singen wollen und uns nach Feiern zumute ist, dann ist es so. Also Leute, Stock aus dem Arsch ziehen und Spaß haben, solange man nicht komplett im „Funpunkrausch“ verfällt und denkt, dass Punkrock keine Politikveranstaltung ist. „Bierzelt-Funpunk“ sind wir nicht, wir sind hinterfragende Menschen mit Humor. Dieser Humor kann auch gerne mal politisch unkorrekt sein, denn nur dann provoziert er. Ja und was „Mia ham an Hois“ betrifft, das ist nach wie vor ein Song den wir sehr gerne spielen und den wir auch lieben. Vielleicht gibt es ja zukünftig wieder mal einen bayerischen Song, wer weiß, aber wir wollen den „Gag“ auch nicht überreizen. So ist es dann doch was besonderes. Außerdem ist uns schon wichtig, dass unsere Songs überall im deutschsprachigen Raum gehört werden, da wir in unseren Texten ja auch was zu sagen haben. Ich finde auch dieses Album, das C.O.R. auf Plattdeutsch gesungen haben sehr cool. Aber weißt du ich kann dazu nicht mitsingen und verstehe nur die Hälfte. So ist es mit dem bayerisch bestimmt auch, wenn das irgendwer im Norden hört. Ich möchte doch, dass die Leute meine Texte die ich wichtig finde, auch verstehen. Ich meine, hört euch nur mal den Albumtrailer an, das ist schon mal lustig, aber so klingen die „Neandertaler des Punkrocks“, hahaha.

Ihr kommt ja viel herum und seit bspw. ja schon so etwas wie ein fester Bestandteil des Resist to Exist. Könnt ihr in Deutschland Unterschiede in den Regionen innerhalb der Punkszene erkennen?

Leider ja. Ich muss sagen Berlin und Ostdeutschland im Allgemeinen ist für uns zur zweiten Heimat geworden. Im Herzen bin ich dort längst zuhause. Wir haben dort so viele gute Freunde gefunden und eigentlich knüpft man jedes Tourwochenende neue Kontakte, weil die Szene dort einfach so toll vernetzt und so offen ist. Viele der Leute dort empfinde ich als viel offener, als manch verschrobenen, bajuwarischen Sturschädel. Wir haben hier zwar auch einige, sehr gute Freunde, aber in der Gesamtsumme sind es doch viel weniger. Zu viele hier sind Styler und haben mir zu viele oberflächliche Ansichten. Heute Punk, morgen Discobauer, und übermorgen doch wieder Punk, je nach saisonalem Angebot. Sowas find ich lächerlich. Selber machen hier mittlerweile ganz wenige was, weil die ihren fetten Wohlstandsarsch nicht hochkriegen. Der Osten ist da einfach anders. Ich denke es ist so, weil die typischen Ostpunx, vor allem die älteren, nicht alles in den Arsch geschoben bekommen haben. Die mussten sich mehr selber erkämpfen und haben so eine ganz andere Einstellung zu vielen Dingen, denke ich. Den Westen des Landes kann ich leider noch nicht so beurteilen, da ist es sehr schwer an Gigs zu kommen, weil gerade der Ruhrpott selbst überflutet ist von vielen guten Bands. Das sollte jetzt übrigens ein Aufruf an diverse Veranstalter sein, dass ihr uns gerne mal booken könnt.

Da sie gerne gesehen sind, laufen die Liveshows mittlerweile über das professionelle Muttis Booking
Da sie gerne gesehen sind, laufen die Liveshows mittlerweile über das professionelle Muttis Booking

Punk auf dem Land – und dann noch in festen Händen der CSU. Ist es hier schwieriger oder gerade einfacher sich diesem Lebensentwurf hinzugeben?

Wenn du hier in unserem Dorf zur Bürgermeisterwahl gehst gibt es nur einen Kandidaten, der ist natürlich CSU. Die 8 Kandidaten für den Gemeinderat sind natürlich auch alle CSU. Die Auswahl ist also hier schon mal sehr stark eingeschränkt. Es gibt auch ein paar Jugendzentren hier, aber wir haben im näheren Umkreis überall Spielverbot, da wir scheinbar die Saat des Teufels zu unseren Konzerten locken. Nicht ganz unschuldig sind daran auch diverse Stadtverwaltungen, in denen natürlich auch überwiegend CSU-ler hocken. Sowas passt halt nicht ins Stadtbild!

Wenn ich bei euch zu Besuch war, fand ich auffällig, dass eure Szene untereinander sehr solidarisch ist. Ist das so und kann das ein Kriterium für Punk auf dem Land sein?

Ich würde sagen, dieses Kriterium ist sogar ein Muss, da die Szene hier viel kleiner ist als im Osten, muss sie auch weitreichender vernetzt sein und die wenigen die es gibt, sind ja doch aufeinander angewiesen. Da auf der Release vor zwei Jahren, wo du warst, waren zum Teil Leute von 200 bis 300 km Entfernung, das ist hier ganz normal. Es gibt weniger Szene, also auch weniger Konzerte. Der harte Kern nimmt dafür auch weitere Strecken in Kauf, um mal anzureisen. Wie ich schon vorhin hab anklingen lassen, ist es sowieso nicht immer einfach, da es hier auch genauso viele Arschgeigen wie tolle Menschen in der Szene gibt. Und glaub ja nicht, dass die, die du vor 2 Jahren getroffen hast noch alle „dabei“ sind. Punkrock die gute, alte Jugendsünde …. Ein Glück, dass ich nächstes Jahr 30 werde und schon lange drüber bin.

Wie war das bzgl. Punk, als ihr noch ein bisschen kleiner ward; ich denke da an Lehrer, Tante Inge oder Papi und Mami von der ersten Freundin? Ich könnte mir vorstellen, dass diese sich auf dem Land noch in einer ganz anderen Qualität provozieren ließen?

Bei mir war das nicht so spektakulär und dem Klischee entsprechend. Wie du ja weist, bin ich mit 15, 16 erstmals in Berührung mit alternativer Musik aus dem Bereich Punk und Metal gekommen. Und da bin ich dann auch schon daheim ausgezogen, meine Mutter hat das also gar nicht mehr tangiert. Meine Oma war nur enttäuscht dass ich meine Schlagerkarriere hingeworfen habe. Zwischendurch bin ich über die Jahre mit immer mehr Leuten aus der Szene in Berührung gekommen und 2006 war dann die Geburtsstunde der Dorks. Das war eigentlich erst der richtige krasse Kulturschock, als meine Oma die ersten Dorks-Kassettentapes hörte. Die Frage, ob man das je auf MTV spielen würde, habe ich damals klar verneint. Ich habe jetzt nur ernsthafte Bedenken, dass unsere neue Platte scheiße ist, die liebt sie nämlich. Mein Vater war sowieso stolz wie Oskar, als ich mir meine erste E-Gitarre gekauft habe. Der findet das klasse, hauptsache dat Mädel macht Rock ’n‘ Roll und is von Muttis Volxmusik-Kassetten weg!!! Und mein Onkel ist im Herzen immer noch Punk. Sein altes Exploited T-Shirt hütet er wie den heiligen Gral und er feiert unsere Mucke.

Bons hat sein Abi nachgeholt, um damit zu provozieren.
Bons hat sein Abi nachgeholt, um damit zu provozieren.

Bons: Ich bin eigentlich schon als kleiner Junge durch meinen Bruder zu vielen Kassetten und Platten gekommen, an die man sonst nicht kommt. Der war schon älter als ich und hat viel Punk und Metal gehört. Er hat mich damals auch auf meine ersten Festivals mitgeschleift. Provoziert habe ich eigentlich schon als kleiner Bengel, ich war stinkfaul und hab die Hauptschule ohne Abschluss verlassen, weil ich zu der Zeit ständig besoffen war. Wir waren schlimme Kinder. Mittlerweile ist aber was aus mir geworden und ich provoziere damit, mein Fachabitur nachgeholt zu haben, hahaha.

Wie war das denn in Zeiten ohne Internet, wenn man an Musik kommen wollte? Ich denke gerade als junger Mensch, wenn alles neu und frisch ist, giert man doch regelrecht danach. Oder so „extravagantes“ Zeug wie Haarfarben und Nieten,etc … Ist da DIY nicht automatisch angesagt?

Ich erinnere mich als ich an der Schule von einer Freundin meine erste Wizo-CD geschenkt bekommen habe. Das war noch was ganz besonderes, ne gebrannte CD, das Booklet schön kopiert und es war einem wichtig, dass da einen dieser glubschäugige Fisch vom „Bleib Tapfer“ Cover angeguckt hat. Heute ist das leider nichts mehr so besonderes. Da lädt man sich alles runter, da sind dann auch die Cover usw. dabei. Damals war man drauf angewiesen, dass man sich gegenseitig mit Mucke versorgt hat. Ne DSL-Leitung haben wir auch erst seit ein paar Jahren hier im Kaff, also nix mit ich lad mir schnell ma dat neue Slime Album Kinners. Schön Platte kaufen oder halt tauschen. Und früher waren halt auch Kataloge an sich in gedruckter Form noch besonders, da wo man dann CDs und T-Shirts bestellen konnte. Mein erster Katalog war ein EMP, das war in meinen Anfangstagen schon was besonderes. Da konnte man sich halt so gängige Sachen wie Motörhead Shirts oder sowas bestellen. An spezielle Szene-Fanzines wie zum Beisiel Plastic Bomb kam ich erst später, da man sowas hier nirgends bekommt. Böse gesagt, hier lebt man hinter’m Mond, wenn man sich nicht selbst bewegt, wo hinfährt, wo man Leute kennen lernt die einem das nahe bringen oder irgendwann doch ein bisschen im Internet guckt.

In Bayern ist ja wie sonst nirgendwo anders in Deutschland das Brauchtum sehr präsent. Lehnt ihr dies völlig ab oder bietet es vielleicht auch eine Plattform die eigene Szene zu provozieren? Lizal hat ja als Kind nicht ganz unbekannte Volksmusik gemacht und ihr musstet euch ja dann mit vereinzelten Quatschvorwürfen auseinandersetzen.

Genau, da möchte ich auf alle Fälle noch näher drauf eingehen. Sicher wissen das viele die Die Dorks kennen, aber nicht alle Leser. Ich war bis zu meinem 15. Lebensjahr tatsächlich Schlagersängerin und hatte damals sogar ’nen Auftritt beim Grand Prix der Volxmusik

Ich war bis zu meinem 15. Lebensjahr tatsächlich Schlagersängerin und hatte damals sogar ’nen Auftritt beim Grand Prix der Volxmusik

(wer will findet das sogar noch in Youtube und darf sich herrlich amüsieren). Zu verdanken hatte ich das meiner anscheinend sehr schönen Stimme, die man schon in der Schule entdeckte. Meine Mutter hat mich da diesbezüglich gefördert (die steht ja selber auf das Zeug) und seit meinem 7. Geburtstag singe ich. Naja ich hab halt dann meinen eigenen Kopf entwickelt und der ist Punk geworden. Das heißt mit 15 war Schluss mit lustigen Kokspartys im Mutantenstadel. Die Stimme ist aber zum Glück geblieben. Als wir mit den Dorks in der Gegend dann ein wenig bekannter wurden, wurde natürlich auch die alte Suppe wieder aufgewärmt und schnell kam auch eine ganz komische Art von „Szenepolizei“ ins Spiel. Da kamen dann Kommentare wie „Ihr scheiss Pseudomusikantenstadelassis wollt Punks sein?“, und dass sie wüssten was ich mal gemacht habe, und das ja gar nicht ginge. Und überhaupt was wir für ’ne scheiß Assiband seien, mit ’ner Ex-Volxmusiksängerin. Ah ja, und jetzt? Hauptsache Nieten grade an der Jacke. Machen die das aus Neid? Aus dummem Klischeedenken? Darauf habe ich echt keine Antwort gefunden, ich hoffe nur die haben alle brav den Punkrock mit der Muttermilch aufgesogen. Fakt ist, dass das nun einige Jahre her ist und mindestens die Hälfte dieser Gestalten nicht mehr in der Szene zu sichten sind. Wir sind immer noch da. Wäre das nicht mein Leben und meine Überzeugung hätte ich doch längst meine Reunion bei Karl Moik geplant. Mit Klischees und Ironie haben wir mit der Band natürlich immer schon gern gespielt und gerade in Bezug auf meine Vergangenheit war das natürlich dann ein gefundenes Fressen. Auf dem zweiten Album haben wir uns ja auch provokativ im Trachtenoutfit der Meute präsentiert und den Titel auch passend „Servus, gruezi und K.O.“ genannt. Als Intro haben wir damals auch einen Song der Hellwigschen Trällerelsen verunglimpft. Das war geil!

Ich denke jetzt mal ganz blauäugig, dort wo die CSU „dahoam“ ist, wird die NPD nicht weit sein? Oder sind die CSU Idioten sogar noch schlimmer, da gleiches Gedankengut, aber etabliert? Am Ende liege ich vielleicht auch ganz falsch?

Ja das ist auch wieder so ein Thema wo man nicht pauschalisieren kann. In einem kleinen Dorf kann man auch sagen, es gibt „gute“ und „schlechte“ CSU-ler. Wie ich vorhin schon sagte, für den Gemeinderat kann man nur mit der CSU kandidieren. Manche gehen da einfach hin, weil es nichts anderes gibt. Da sind dann schon ein paar halbwegs normale Menschen, mit normalen Anschauungen dabei. Mit denen kann man dann schon über das ein- oder andere Thema noch vernünftig diskutieren. Allerdings gibt es in unserem Umkreis auch ganz dumme Leute, die irgendwelche NPD Parolen von sich geben und gar nicht wissen, um was es sich da eigentlich für eine Partei handelt. Das ist das, was mich am meisten beängstigt. Auch AfD-Parolen finden hier einige gut. Manche leben wirklich hinter dem Mond, das ist nach wie vor kein Klischee über Bayern. Aktuell steht auch ein weiteres Problem an, da in unserer näheren Umgebung ein Altenheim leer steht, wo Flüchtlinge untergebracht sind. Das erschreckendste daran ist, dass die größte Hetze gegen die Flüchtlinge von der Altersgruppe ausgeht, die selbst noch die Schrecken des 2. Weltkriegs mitbekommen haben. Hausfrauen, Omis (jetzt unabhängig von irgendwelchen Parteien in denen sie sind) haben in den letzten Wochen gehetzt und die Leute verrückt gemacht.

Lizal, nicht die einzige Person im deutschen Punkrockzirkus mit echten Volksmusik-Erfahrungen
Lizal, nicht die einzige Person im deutschen Punkrockzirkus mit echten Volksmusik-Erfahrungen

Gibt es politische Initiativen und gestaltet sich das anders als wie in der Stadt?

Eine direkte Gruppierung, die sich antifaschistisch organisiert, gibt es bei uns im kleinen Dorf natürlich nicht. Da ist man auf den gesunden Menschenverstand jedes einzelnen angewiesen. Das hat noch am meisten bewirkt. In Braunau am Inn gibt es halt einmal im Jahr noch die Kundgebung gegen rechts, wenn sich anlässlich des Hitlergeburtstages wieder Neonazis ankündigen. Der Landkreis Altötting hat ein Bürgerbündnis gegründet, das sich aktiv um Aufklärungsarbeit rechter Umtriebe bemüht. Unter anderem haben die auch einen Film über das ehemalige KZ-Außenlager Mühldorfer Hart gemacht, das leider heute noch Zielscheibe rechter Treffpunkte wird.

Euer Proberaum ist ja auf dem Hof, wo Teile von Euch leben und man muss es einfach sagen: total idyllisch gelegen. Eure Songs stinken vor wunderbarem Dreck. Wie kommt es denn zu dieser Gegensätzlichkeit?

Haha, ja diese Idylle. Wolltest du in deinem Anfall von Romantik damals nicht Weihnachten mit uns verbringen? Wann wollen wir das nachholen? Aber du hast schon recht, landschaftlich gesehen, ist das hier sowas wie das Paradies. Trotzdem hab ich auch früh gemerkt, dass selbst das größte Paradies voller Dreck sein kann, wenn man sich die Gesellschaft und die Menschen, die im vermeintlichen Paradies wohnen, so anguckt. Als Kind habe ich auch auf einem alten Bauernhof bei meiner Mutter gewohnt. Ich hatte keine so tolle Kindheit im Allgemeinen und hatte den Stempel, das Kind einer Außenseiter-Familie zu sein. Ich musste mich immer durchboxen, was mir zum einen mit Sicherheit auch sehr viel Ehrgeiz mit auf meinen Weg gegeben hat, etwas besonderes aus meinem Leben zu machen. Zum anderen musste ich mich damals auch viel mit mir selbst beschäftigen. Irgendwie hab ich dadurch sehr früh gelernt, mich in andere Menschen, Situationen, etc. hinein versetzen zu können. Ich hab als Kind schon gerne Geschichten geschrieben. Die Menschen und ihre Abgründe hab ich also früh gelernt, zu analysieren. Da ist auch unglaublich viel angestaute Wut in mir. Darum schreibe ich wohl gerne dreckige Texte. Ein Kumpel sagte mir mal, Lizal, du musst jemanden abgrundtief hassen, weil du so wütend wirkst, wenn du singst.

Ein Kumpel sagte mir mal, Lizal, du musst jemanden abgrundtief hassen, weil du so wütend wirkst, wenn du singst.

Und ja er hat Recht, jeder Song ist für mich immer auch eine Art Abrechnung, mit einer bestimmten Sache oder Situation. Musik ist das beste Ventil, Dinge zu verarbeiten und es macht gleichermaßen unglaublich viel Spaß!

Stand es für euch nie zur Debatte in die Stadt zu ziehen, bzw. gab und gibt es Momente wo das Landleben einfach nervt?

Oh ja, die gab es und gibt es immer wieder. Ich habe immer mal wieder meine Phasen, wo ich (vermeintlich) denke, es könnte anderswo vielleicht besser sein. Du musst wissen, es war ein sehr harter Weg, das all die Jahre hier mit der Band durchzuziehen, bis wir dann vor gut 3 Jahren dann endlich diese tolle Besetzung beisammen hatten. Wir sind anfangs mit der Band von vielen belächelt worden und ganz viele haben uns unterschätzt und nicht an uns geglaubt, denn als Punkrockband hier zu bestehen, das haben die wenigsten durchgehalten. Eben einfach wegen zu viel gesellschaftlichem Druck, weil Arbeit oder Familie wichtiger war oder es sonst wie an der Zeit mangelte. Manche haben sich sogar aus Angst vor dem Verfassungsschutz in die Hosen gemacht. Es ist halt einfacher sich vor ne Konsole zu setzen, zu zocken oder einfach so sinnlos zu saufen, statt etwas eigenes, kreatives zu machen und einfach seine Meinung kund zu tun. Am allerschlimmsten war es für mich immer, von vermeintlichen Freunden enttäuscht zu werden. Im Punk ist es genauso, wie anderswo in der Gesellschaft, da sind die Leute genauso hinten rum. Ich habe so viele kommen und gehen sehen. Wenn 10 % der einstigen Weggefährten ihr Wort gehalten haben, dann ist es viel. Aber was soll’s, ich bin schon sehr abgestumpft mittlerweile. Ich gebe mir immer selber den Arschtritt und halte mir vor Augen, dass einem anderswo ja auch nix geschenkt wird. Außerdem, wäre es ein Frevel wirklich zu jammern, wir haben nen tollen Proberaum von dem andere träumen und wir haben ein tolles Zuhause. Also Bons und ich wohnen ja da und kannst du dir etwas besseres vorstellen als in deinem Proberaum zu wohnen? Ich würde das hier niemals aufgeben. Bayern braucht Punkrock und Die Dorks. Wir müssen hier die Fahne hochhalten! Denn wer macht es sonst? Außerdem sind wir ja mobil und treffen alle Menschen die wir vermissen immer wieder!! Trotzdem hätte ich nichts gegen eine Verschiebung der Kontinentalplatten einzuwenden, damit wir nicht soweit nach Berlin haben! Der Scheiß Stau immer!

Wie ist das Verhältnis zu den Städtern, bspw. Münchnern?

Das ist nochmal so ein Punkt. War am Anfang auch ein bisschen schwer, bis das Eis gebrochen war. München ist eigen und München ist ein bisschen selbstverliebt. Wenn man da vom Hinterland kommt, tut man sich anfangs schwer. Aber sobald sie einen kennen, schließen sie einen ins Herz. Außerdem ist München auch sehr reizüberflutet mit Bands. Trotzdem haben wir dort bei sehr vielen Menschen einen guten Stand, weil wir eben auch viel selber organisieren bzw. organisiert haben und das kommt auch wiederum den Münchner Bands zu Gute. Man hält eben zusammen, wo es nur geht!

Ganz passend zum Thema habt ihr ein Lied über den verstorbenen Stockerl Schorsch. Was hat es damit auf sich, bzw. wer ist das?

Das war der Großonkel von einem Kumpel. Der war ein Unikat! Und in Bayern bestimmt der erste Punkrocker. Leider weilt er nicht mehr unter uns, darum haben wir ihn in einem Song verewigt!

Arbeit ist scheiße! Wie und was kann man denn als Assipunk tun, um keinen moralischen Implikationen zu unterliegen?

Ja, die liebe Arbeit. Leider ist sie auch bei uns ein notwendiges Übel, damit wir uns das Touren als Band überhaupt leisten können. Ich persönlich seh das so: Man sollte sich keineswegs überarbeiten und nur so viel machen, damit man auch noch genug Freizeit hat. Ich arbeite Teilzeit in einem Behindertenwohnheim, komischerweise kenne ich sehr viele Punks, die irgendwas soziales machen. Ich, Bons und Wastl arbeiten übrigens in derselben Firma, in verschiedenen Abteilungen. Ist das schon Vetternwirtschaft?

Vermutlich, Polytox ist aber sehr verschwiegen. Vielen Dank für das Beantworten der Fragen!


Die Band-Homepage: Die Dorks

Die Label-Homepage: Sn-Punx

Die Booking-Homepage: Muttis Booking


 

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