Geile Musik von Tomatenplatten

Punk

Tomatenplatten

In den vergangenen Jahren hat sich Tomatenplatten zu einem meiner Lieblingslabels entwickelt. Weniger, weil hier ein bestimmtes Genre oder ein bestimmter Stil bestimmt wird, sondern weil Labelboss Thomas Götz gerne Bands und Künstler:innen veröffentlicht, die nicht in die klassischen Schubladen passen. Bestes Beispiel sind dafür fünf der jüngsten Veröffentlichungen, die mir zum Besprechen vorliegen. 

Mir Express – Four Track Mind Vol. 02 7”

Die vielleicht noch eingängigste Veröffentlichung ist die 7” von Mir Express die im Rahmen der Four Track Mind Single Series erschienen ist, für die Thomas jeweils zwei Lieder pro Band auf seinem Tascam Porta Studio 244 Vierspur Recorder aufnimmt und dann in Kleinstauflage auf Vinyl pressen lässt. Mit “Pass auf mein Schatz” und “Tu Menti” liefert die Band hier zwei astreine und sehr gelungene Synthpunkstücke ab. Bei “Tu Menti” handelt es sich übrigens um eine Coverversion von CCCP – Fedeli Alla Linea, die Anfang der 1980er-Jahre in Berlin von Exil-Italiener:innen gegründet wurden und eine wilde Mischung aus Punk, Noise, Industrial und New Wave spielten. Insgesamt eine schöne Single mit zwei sehr feinen Liedern.

13 Years Cicada – Four Track Mind Vol. 03 7”

Deutlich schwieriger zu fassen sind die ebenfalls aus Berlin kommenden 13 Year Cicada, die Thomas ebenfalls für die Four Track Mind Single Series aufgenommen hat. Hier geht es brüchiger, abgehackter, aber gleichzeitig auch funkiger zu, als ob Fernsehshow-Jingles durch den Häcksler gejagt wurden und dann wieder zusammengesetzt wurden. Irgendwie schräg, aber unterhaltsam.  

Dubby King Knarf – s/t 7”

Ebenfalls als schicke 7” kommt der jüngste musikalische Output von Knarf Rellöm daher. Und ich staune: Als Dubby King Knarf haut er hier mit Drummachine, Synthesizer, Kaospad, GItarre und natürlich dem Echogerät zwei astreine Dub-Stücke heraus, denen ich eine gewisse hypnotische Wirkung nicht absprechen kann. Der perfekte Soundtrack für bekiffte Sommerabende.

Freund Kern – Ventyl 7”

Eine persönliche Premiere erlebe ich dann mit “Ventÿl” von Freund Kern, denn es handelt sich um meine erste Single, bei der ein Lied über beide Seiten geht. „Ventÿl ist ein sehr langsames und gedehntes Instrumentalstück, bei dem sich sofort die Weite einer Wüstenlandschaft in meinem inneren Augen bildet. “Ventÿl” ist sogar schon die vierte Veröffentlichung der Ein-Mann-Band aus dem Beatsteaks-Freund:innenkreis. Ich glaube in diese höre ich auch mal rein. Ganz starke Single! 

BSI – Sometimes Depressed… But Always Antifascist LP

Den perfekten Abschluss meiner kleinen Lobhudelei auf Tometenplatten bildet das Debutalbum “Sometimes Depressed… But Always Antifascist” des isländischen Duos BSÍ. Inspiriert zum Albumtitel wurden Silla Thorarensen und Julius Pollux Rothlaender wohl bei ihrem Auftritt 2019 beim “Angst macht keinen Lärm”-Festival in Wiesbaden. Da war ich auch, habe aber eigentlich nur die gesamte Zeit vor der Halle gestanden und mit Leuten gequatscht. Ob die beiden mittlerweile wissen, das der Ursprung des Spruchs auf die Frankfurter Oi-Institution Stage Bottles zurückgeht? Spielt aber auch keine Rolle für dieses Album, das perfekt zum Output von Tomatenplatten passt. Denn es fällt schwer, BSÌ in eine Schublade zu packen, am ehesten vielleicht noch in eine große Truhe auf der Indie steht. Die A-Seite, also die “Depressed”-Seite, klingt passend zum Titel auch eher schwermütig, molllastig, ruhig und manchmal sogar ein bisschen verträumt. Die fünf Lieder bewegen sich zwischen Dream-Pop, 80s-Synthiesound und Indiepop. 

Etwas lauter, weniger verträumt und teilweise harscher wird es dann auf der “but always antifascist”-Seite, die sofort mit dem Opener “Vesturbæjar Beach” und dessen Beach-Boys-Powerpop-Vibe für gute Laune sorgt. Mehr in Richtung Postpunk tendiert dann das darauffolgende und wunderbare “Feela Það”, das in der Indiedisco sicher für Tanzalarm sorgen dürfte, ähnlich wie “My Knee Against Kyriarchy”, mein Highlight auf der Seite. Vielleicht, weil es ein wenig an Blondie erinnert, sicher aber, weil es ein tolles Lied ist und auch textlich stark ist. Thematisiert wird darin nämlich, das Menschen gleichzeitig immer auch Unterdrücker und Unterdrückte sind, je nachdem in welchem Umfeld wir uns befinden und bewegen. Dass BSÌ auch harsch und krachig können, zeigt “Dónakallalagið” bevor das Album vergnüglich mit “Alltaf Alltaf Stundum Alltaf” endet. 

“Sometimes Depressed… But Always Antifascist” ist ein tolles Album und wenn BSÌ nächstes Mal in Wiesbaden spielen sollten, werde ich in die Halle rein gehen und nicht einfach vor der Tür stehen und rauchen. Versprochen!

Info

Mir Express – Four Track Mind Vol. 02 7”
13 Years Cicada – Four Track Mind Vol. 03 7”
Dubby King Knarf – s/t 7”
Freund Kern – Ventyl 7”
BSI – Sometimes Depressed… But Always Antifascist LP
Tomatenplatten: www.tomatenplatten.com

Falk Fatal
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