
Ich weiß, ich bin mit diesem Review viel zu spät dran, und ich will hier auch keine Ausreden präsentieren: es ging einfach nicht früher. Also, here we go.

German Compliment. Ein neues Zine aus Mainz. Gemacht wird es von Tausendsassa Cornelius und Antifa-Gourmet-Chefkoch Maeglin. Der Name des Zines geht auf Nofx-Sänger Fat Mike zurück, der damit ein „vergiftetes“ Kompliment bezeichnet, das es so nur in Deutschland geben würde, und das nach dem Schema funktioniere, erst etwas positives zu sagen, nur um dann zur Kritik auszuholen. Nach dem Motto: Ich mag Deine Band, aber… „.
Ich kenne solche Sprachmuster ja als wertschätzende Kritik und nicht als german compliment, aber das Fat Mike mit wertschätzender Kritik vermutlich wenig am Hut hat, wundert mich jetzt nicht. Ich möchte meine Kritik trotzdem als wertschätzend verstanden wissen, denn bis auf ein paar Kleinigkeiten gibt es an der Debütausgabe wenig auszusetzen.
Langweiliges Layout
Zu den wenigen Punkten gehört das Layout. Das ist richtig langweilig, sieht kacke aus und fotokopierte Bilder kommen meist auch nicht so gut. Aber immerhin ist alles gut lesbar und darum geht es ja in erster Linie. Ebenfalls wenig gelungen finde ich die Zweisprachigkeit des Heftes. Manche Beiträge sind in Englisch, manche auf Deutsch und wiederum andere in Deutsch und Englisch. Hier würde ich mir eine konsequente Linie wünschen, also entweder alles in einer Sprache oder alles mit Übersetzung. So Wischiwaschi ist blöd.

Was mir dagegen sehr gut gefällt ist, dass auf Fanzine-Standards wie Bandinterviews und Reviews komplett verzichtet wird. Schön sind auch die kleinen Gimmicks wie Witze über Skinheads und Bandnamen oder das german glossaray, das Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, obskure Redewendungen wie „Du rüttelst am Ohrfeigenbaum“ oder Universalwörter wie „Ajo“ erläutert. Das gibt Völkerverständigungspluspunkte!
Sehr lesenswert fand ich auch den Tourbericht von Skinpin, die nicht nur für ein paar Wochen von Australien nach Europa kamen, sondern ein ganzes Jahr selbstorganisiert durch Europa tourten. Ein sehr interessanter und spannender Bericht! Respekt!
Was ist ein emanzipatorischer Raum?
Fragezeichen hatte ich bei Maeglins mansplaning Kolumne. Er versucht der Welt zu erklären, was ein emanzipatorischer Raum ist. Aber neben der Erkenntnis, dass er dazu viele Worte braucht, um zu erklären, das Besucher*innen keine Arschlöcher, die Leute, die den emanzipatorischer Raum betreiben aber sehr wohl Arschlöcher sein dürfen, kommt nicht viel rum. Okay, gleich zu Anfang schreibt Maeglin zwar noch, das er darunter einen Raum sieht, der durch seine Struktur Menschen die Möglichkeit gibt, Dinge durchzuführen oder Angebote zu nutzen, für die keine großen monetären Grundanforderungen, aber dafür moralische Anforderungen gestellt werden.
Anhand dieser Definition weiß ich aber trotzdem noch nicht, was einen emanzipatorischen Raum von einem nicht emanzipatorischen Raum unterscheidet? Das Schild, das sexistisches und rassistisches Verhalten nicht geduldet wird? Die meist günstigen Preise? Die Auswahl der Getränke oder Speisen? Oder eine freizügige Drogenpolitik? Also das gekifft, gezogen und Pillchen geschmissen werden darf? Nur anhand solcher Kriterien den emanzipatorischen Gehalt eines Raumes bestimmen zu wollen, finde ich schwer und führt in die falsche Richtung. Sexistisches Verhalten wird auch in vielen Räumen, die sich vermutlich selbst nicht als emanzipatorisch begreifen, nicht geduldet. Dinge ohne große monetären Anforderungen kann ich auch in Räumen durchführen, die ich nicht als emanzipatorisch bezeichnen würde. Fairtrade oder Bioprodukte gibt es mittlerweile auch in vielen Supermärkten. Und günstige Preise haben meist auch einen Haken.

Stellen wir uns als Beispiel einen emanzipatorischen Raum mit einer freizügigen (und damit illegalen) Drogenpolitik vor. Wie emanzipatorisch kann solch ein Raum aber sein, wenn Gäste und Teile der Freiraumaktivisten sich in diesem Raum fröhlich Koks durch die Nase ziehen, dass bestimmt unter den besten Arbeitsbedingungen produziert worden ist. Wie emanzipatorisch ist dieser Raum dann noch? Gleicht der Versuch, Drogen-Konsument*innen nicht kriminalisieren zu wollen, die kriminelle und gewalttätige Drogen-Produktion wieder aus?
(De)constructing masculinity
Aber gut, Maeglin schreibt selbst, das zu dem Thema noch nicht alles gesagt sei. Ich bin gespannt, ob und was zu dem Thema in weiteren Ausgaben noch folgt.
Das Highlight der Ausgabe ist Martinas Text zu „(De)constructing masculinity in Punkrock“. Kenntnisreich und mit Humor nimmt sie die verschiedenen Männlichkeitstypen in der Punk- und Hardcore-Szene auseinander. Großartig!
Wenn ihr das jetzt lest, ist vermutlich schon Ausgabe 3 erschienen, zumindest Ausgabe 2 ist längst veröffentlicht worden (Review folgt auch bald). Aber vielleicht haben Cornelius oder Maeglin noch eine Ausgabe übrig, einfach mal eine Mail schreiben. Und wenn euch jemand ein german compliment macht, greift zu. Gutes Heft!
Bestellen & weitere Infos unter:
https://en-gb.facebook.com/germancompliment/
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