Helmut Kohl ist tot – Eine Umfrage

Birne has left the building

Als vor einer Woche bekannt wurde, dass Helmut Kohl gestorben ist, habe ich das zur Kenntnis genommen und dachte mir bloß: „Wurde auch langsam Zeit, der sah die letzten paar Jahre eh nicht mehr so frisch aus“.

Allerdings nervte mich – und nervt mich nach wie vor – der aktuell positive Hype um diesen Typen. Schließlich war er auf verschiedenen Gebieten ein ganz besonderer Schmierlappen – Politik, Ehe, Familie. So kam mir die Idee, dass ich sowohl einige „Ossis und Wessis“ als auch „Ü- und U40er“ aus meinem nahen und fernen Bekanntenkreis fragen könnte, wie die dazu stehen. Also zu seinem Leben/Tod oder der Person.

Gesagt, getan. Hier findet ihr 28 knappe oder längere, kurzweilige Aussagen oder Anekdoten zum Tod von Helmut „Birne“ Kohl.

Hier wohnte Helmut Kohl in Hausnummer 11. Dort hat sein Sohn Walter mittlerweile Hausverbot

Wolfgang Wendland – Sänger Die Kassierer

„Natürlich gilt auch für Helmut Kohl, den ich nur einmal auf dem Kirchentag in Nürnberg 1979 getroffen habe: de mortuis nihil nisi bene. So möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf folgenden Umstand hinzuweisen. Als die 68er auch 1969 noch da waren verlangte Helmut Schmidt, „der Exekutive entschlossene ‚Rückendeckung‘ zu geben. (…) Ebenso forderte Willy Brandt, die ‚eindeutig rechtsbrecherischen Aktivitäten […] im Keim zu ersticken.“ (1)

„Kaum zum Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz gewählt, stellte sich Kohl 1969 der auf Ordnung, Zucht und Sitte bedachten Strategie innerhalb der CDU/CSU entgegen. Er warnte Kiesienger, [damals Bundeskanzler] ein rein repressives Vorgehen ‚ohne überzeugendes Reformkonzept‘ werde sich ‚als neue Krisenursache erweisen“. (2)

(1) Götz Aly „Unser Kampf“ 1968 S. 37

(2) ebd. S. 36


Chaoze One – Hip Hop Sänger

Was ich Helmut Kohl niemals verzeihen werde, ist Gerhard Schröder.


Thomas – Loikaemie-Sänger (RIP)

Zuerst dachte ich: Krass. Zumindest denkt man das immer, wenn einer stirbt, in dessen Ära man groß geworden ist. Auf der anderen Seite haben wir ihm Frau Merkel zu verdanken. Bei mir hat er aber deutlich mehr Eindruck hinterlassen, als die Flitzpiepe Erich Honecker, in dessen Ära ich tatsächlich groß wurde. Helmut Kohl wird mit der deutschen Einheit verbunden bleiben, wie Scheiße mit Fliegen, aber es war nicht allein sein Verdienst. Wenn ich mich an die Szenen auf der Straße erinnere, stellen sich mir jetzt noch die Nackenhaare auf.

Ein Mensch ist gestorben … Das fette Schwein aus Oggersheim ist nicht mehr da. Punkt.


Micha – Mitbegründer des Plastic Bomb Fanzine, Mailorder und Label, heute dort nicht mehr tätig

Als die Nachricht von Tod Helmut Kohls die Runde machte, war mein erster Gedanke „Der lebt noch?“ Ehrlich gesagt hatte ich in den letzten Jahren nicht viele Gedanken an ihn verschwendet. Und das war gut so. Schließlich musste ich einen Großteil meines Lebens sehr häufig an ihn denken. Gezwungenermaßen. Und das waren nicht die positivsten Gedanken. Vermutlich ist Kohl auch jetzt gar nicht tot. Er besiedelt stattdessen mit Hitler und Heino die dunkle Seite des Mondes.

Im Grunde habe ich Kohl stets aus vollstem Herzen verachtet. Diese Verachtung muss man sich verdienen, man bekommt sie nicht geschenkt. Und Kohl hat gut verdient. Am Sonntagabend, dem Abend seiner Abwahl 1998, spielten Dackelblut in einer kleinen Kneipe bei uns in Duisburg. Die Stimmung war euphorisch. Birne musste weg. Und Birne war jetzt weg. Nun würde sich vieles zum Besseren wenden. Wie naiv wir waren … wie unfassbar naiv! Wenn ich daran denke, würde ich am liebsten voller Hingabe mein Spiegelbild ohrfeigen.

Wenn ich Kohl doch noch etwas Positives zugestehen möchte, dann die Tatsache, dass es unter ihm noch einen relativen Wohlstand in der breiten Bevölkerung gab, den seine Nachfolger viel schneller, rücksichtsloser und schamloser pulverisieren.

Das relativiert im Nachhinein nicht meine negative Haltung Kohl gegenüber. Ich halte ihn nur nicht mehr für das größte Arschloch, sondern nur für ein Arschloch unter vielen. Vielleicht leide ich aber auch einfach unter jener Altersmilde, die man Wolfgang Schäuble nachsagt.

P.S.: Der wahre Kanzler der Einheit ist David Hasselhoff


Rüdi – Pogoradio

Helmut Kohl war schon vier Jahre Bundeskanzler, als der Sänger meiner ersten Punkband „Die Tunke“ mit einer neuen Idee vor uns stand. Der Text war: „Kohl will uns verkohl’n“.
Damals ahnte noch niemand von uns, dass die Zeilen so lange aktuell bleiben würden.

Anbei die Live-Aufnahme von dem Song. Aufgenommen am 11.10.1986 im Juz Crailsheim.

http://www.pogoradio.de/helmut-kohl-2/


Helge Schreiber – Network-Of-Friends-Buch- und Punkrock-Autor seit den frühen Achtzigern

Helmut Kohl ist tot. Das berührt mich im negativen Sinne. Eigentlich ist mir sein Tod vollkommen Latte, denn seit Jahren hat man zum Glück nichts mehr von ihm gehört. Für die Menschen, welche die 80er/90er Jahre bewusst mitbekommen haben und dazu irgendeiner alternativen, linken oder grünen Gesinnung angehörten, war Kohl der Inbegriff für einen erzkonservativen, berechnenden und antisozialen Machtmenschen.

Damals wäre meine Wortwahl wohl wesentlich derber ausgefallen, aber in der heutigen Zeit der dummen Wut- und Hassbürger verzichte ich darauf. Helmut Kohl, Maggie Thatcher und Ronald Reagan waren alle Inbegriff von politischen Scharfmachern, die gezielt dazu beigetragen haben, dass im Clinch mit der damaligen UdSSR ein Klima der Angst herrschte. Damals bestand eine riesengroße Angst vor einem atomaren Weltkrieg zwischen Ost & West, heute ist es die hysterische Angst vor islamistischen Terroristen, wo nicht gesehen werden soll, dass westliche Staatsführer und Länder mit ihrer „Verteidigung der inneren Sicherheit“ dazu beigetragen haben, dass in einer Vielzahl von muslimischen Länder Aufruhr entstanden ist.
In West-Deutschland war der II. Weltkrieg zwar bereits Jahrzehnte vorbei und auch die End-60er Hippie Generation hatte dazu beigetragen, sich vom Schmodder der tradierten Werte einer altdeutschen Gesellschaft zu lösen, als Kohl 1982 seine viel zu lange Regierungszeit begann. Trotzdem war die damalige Gesellschaft immer noch durchsetzt mit Menschen, die die Nazizeit innerlich toleriert oder mitgetragen hatten. Der bayrische Ministerpräsident Strauß und Helmut Kohl waren für uns die Achse des Bösen, die mit ihrer Einführung von amerikanisierten Wirtschaftsdenken und dem beginnenden Abbau der sozialen Unterstützung von Bedürftigen zu einer Verrohung der Gefühlslage verantwortlich waren.

Zum Tod von Kohl hört man aktuell, dass ja er derjenige gewesen sei, der Deutschland zur Wiedervereinigung geführt haben soll. Jeder andere Kanzler- oder Kanzlerin hätte es 1998 ebenfalls geschafft die Wiedervereinigung auf den Weg zu bringen. In diesem Zusammenhang sollte vorrangig erinnert sein, dass es die DDR-Bürger selbst waren, die mit ihrer eigenen Hartnäckigkeit zu dieser Revolution beigetragen haben. Die von Kohl eingeleitete Abwicklung der DDR hat mehr mit einer feindlichen Übernahme als mit einer Wiedervereinigung auf Augenhöhe zu tun.

Und menschlich … ? Er hat es nicht verhindern können, dass sich seine Ehefrau das Leben genommen hat. Seine Söhne haben von seinem Tod erst durch die Medien erfahren. Seit 2011 bestand kein persönlicher Kontakt mehr. Die Enkel durften nicht zu Besuch. Politik und Macht waren Helmut Kohl immer sehr wichtig. Man sieht es.
Ich weine Helmut Kohl keine Träne nach.
Heute sind es Trump, May, Orban, Kascinsky oder Putin, die mir Sorgen bereiten. Das ist die gleichen Schadensklasse wie Kohl vor 20-30 Jahren.


Maks – Rilrec-Records und Punkrock-Almanach-Autor

Die Wiedervereinigung habe ich ihm nie verziehen.


Henne – Rawside-Sänger

Ein Kanzler, der uns in unsrer Jugend zu dem gemacht hat, was wir heute sind: Rebellen, Menschen, die kritisch hinterfragen, was die da oben so entscheiden und die das Individuum der Masse vorziehen. Auch wenn das bestimmt nicht so gewollt war von Herrn Dr. Kohl. Tja danke. Pech gehabt, das ist Ihr Verdienst gewesen!


Daniel – Back-To-Future-Veranstalter

Meine Meinung zum Tod der Birne: „Dem fetten Schwein aus Oggersheim, dem schlagen wir die Fresse ein“ – ja, auch das haben wir Riesaer Punks 1991 skandiert. Vorher war uns noch nicht wirklich bewusst, was hier im Moment auf uns zurollt. In Staatsbürgerkunde wurde ich bis 1989 über das soziale Scheitern und der Ausbeutung der Arbeiterklasse im kapitalistischen System erfolgreich unterrichtet, dem zwangsläufigen Scheitern des Kapitalismus allgemein. Das spärliche Westfernsehen im „Tal der Ahnungslosen“ zeigte allerdings eine andere Welt. Ich war zu dem Zeitpunkt 15 Jahre.

Allerdings kam ich auch 1989 über einen Freund erstmals mit D-Punk Platten aus dem „Westen“ in Berührung – SLIME, NORMAHL, CANALTERROR, RAZZIA, TOXOPLASMA, DAILY TERROR. Deren Texte hat man sprachlich verstanden, konnte aber den Inhalt nur zum Teil nachvollziehen. Völlig logisch, die Birne und seine kapitalistische Gefolgschaft (besser andersherum ausgedrückt) hatte dem ostdeutschen Menschenmüll sein System noch nicht übergestülpt. Das folgte dann im Dezember 1990 mit Sprüchen wie „Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.“

Alles klar, du Sau! 27 Jahre später kann ich mir trotz 5/6 Tage-Arbeitswoche keinen Cent von der Maloche beiseite legen. Sicher weiß ich seit Beginn meiner Beschäftigung, wer ausschließlich an meiner Arbeitskraft profitiert, da schließt sich wieder der Kreis. Klar ist Kohl nur die Marionette dieses kranken Systems gewesen, die mit der deutschen Wiedervereinigung und der europäischen Einigung weiteres wirtschaftliches Potential gesehen hat. Mich interessiert keine Parteispenden-Affaire, die gibt es bei allen etablierten Parteien, wie auch im Kapitalmarkt. Ich mach jetzt auch nicht die Birne alleine dafür verantwortlich. Davor und danach gab es wieder Birnen, die das Drecks-System aufrecht erhalten. Und alles mit Wählerauftrag einer parlamentarischen „Demokratie“. Über mich bestimmen somit mehrere andere Personen. Nur schade, dass wir zum G20-Protest das BACK TO FUTURE- Gelände aufbauen müssen.

FUCK THE SYSTEM!


Karl Nagel – Erfinder der Chaostage, Sänger von Kein Hass Da, punkfoto.de und vieles mehr

Es ist nicht einfach, im Nachhinein über Helmut Kohl was zu schreiben. Ich kenne kaum jemanden, der ihn wirklich gehasst oder geliebt hart. Das gilt auch für mich. Er war jahrelang DA. Einer von den Typen aus Bonn und Berlin, die mit den großen Köpfen, die aus dem Fernseher. Erst verspottet, dann gefeiert. Von wem auch immer. Jetzt isser tot. Kein Grund, nachzutreten. War halt langsam überfällig. Sterben müssen wir alle mal.


Jan Off – Trash-Autor und Bachmannpreisträgers der Herzen

Birne, Diggi, was hast du uns früher geärgert. Danke für die Angriffsfläche und zwei Jahrzehnte maximaler Reibung.


Wie es scheint war hier vor ein paar Tagen richtig was los. Die Straße wurde verkehrsberuhigt.

Holm – Back-To-Future-Veranstalter und lecker Koch

Ey Bocky, glaubst du ich habe nichts besseres zu tun, als mir den Kopf über Helmut Kohl zu zerbrechen? Verdammt, du scheinst nen siebten Sinn zu haben. Als mich deine Anfrage erreicht, folge ich aufmerksam einer Kohl Doku auf dem Bayrischen Rundfunk. Als Ossi und 1989 14-Jähriger kannte ich ihn beinahe nur als Kanzler.

Trotzdem hatte man schon damals ein Gefühl, welchen Einfluss seine Politik auf uns, also den Osten hatte. Vor allem der erleichterte innerdeutsche Reiseverkehr, nach dem von Strauß eingefädelten Milliardenkredit an die DDR (vier, fünf Jahre vorher), bringt weitere Teile der Bevölkerung in den Genuss einer Stippvisite naher Verwandter. Das klingt jetzt vielleicht wie Reisefreiheit. War es aber nicht. Nur ganz wenige, jetzt aber auch DDR-Bürger, die noch nicht im Rentenalter waren, durften Oma, Tante, Cousine im Westen besuchen und lassen einen Keim gedeihen. Sie erzählen im Kreise der Familie, in ihrer Brigade, im Sportverein, von ihren Erlebnissen. Einen Keim, der Träume weckt, die bis dato völlig utopisch erschienen, trägt sich fort. Den Wunsch genauso zu leben, zu reisen, zu konsumieren.

Auch im Rückblick glaube ich, dass es den Allermeisten, um die wirtschaftlichen Verlockungen ging und es nur diese „Kraft“ möglich machte, die politische Wende so aufzublähen, dass der Staat, der mir schon als 12-Jähriger das Versprechen abringen wollte, mich für eine mindestens 10jährige berufliche Laufbahn bei der Nationalen Volksarmee zu entscheiden, in die Knie zwang. Dem Staat und seinen Vertretern weinte kaum jemand ne Träne nach, aber wie es danach weiter gehen sollte, wurde kontrovers diskutiert. Es war faszinierend an den lokalen runden Tischen teilzunehmen. Aber schnell stellte sich Ernüchterung ein und die Diskussionen kannten bald nur noch eine Richtung: Go West. Mit dem heutigen Abstand fragt man sich manchmal, was uns hier heute beschäftigen würden, wenn die Sache damals anders ausgegangen wäre. Ich bin immer noch der Meinung, es wäre ein Experiment wert gewesen, aber will man es einem Familienvater, einer jungen Mutter übel nehmen den Hoffnungen, den Versprechungen, den Verlockungen nicht zu widerstehen.

Die Probleme der Gentrifizierung hätten wir wahrscheinlich weder im Berliner Osten oder in Leipzig, noch in Dresden. Und an alledem ist Kohl schuld. Fertig.
Ach fuck. Dieses Land, quatsch diese Welt wird von solchen machtbesessenen Menschen wie Kohl gelenkt. Sie nehmen keine Gefangenen, um ihre Ziele zu erreichen. Parteibücher und Religionen sind da nur schmückendes Beiwerk und austauschbar. Kohl hat nicht nur oberflächliche Spuren hinterlassen. Ich nehme ihn aber als gescheiterten Menschen wahr, wenn man sieht wie er sich von seiner Familie, seinen Söhnen im Speziellen, entfernt hat. Da rückt für mich das äußerst kontroverse politische Vermächtnis deutlich in den Hintergrund.

Ach, Angela Merkel ist aber noch Teil dieses Vermächtnisse. Ob er das so gewollt hätte? Armer, alter Mann. Das wird zuletzt ne ganz schöne Qual für dich gewesen sein. Hoffen wir mal, du musstest es nicht in voller Geistesgegenwart wahrnehmen.


Mutti – Muttis-Booking: The Adicts, The Briefs, Loaded, UK Subs, TV Smith und viele mehr

Der Kohl hat 1982, gleich mit als erstes, Ronald Reagan in West-Berlin vorgestellt und dazu wurde das immer noch gültige Vermummungsverbot erlassen. Das gab gleich mal die fetteste Randale der 80er Jahre in unserer damaligen Frontstadt! Und wenn’s es heißt, der US-Punk wurde nur wegen Reagan zum Hardcore, so galt das wohl auch für den Deutschpunk in Kohls Deutschland.

Das mit Birne hat doch die Titanic erfunden, oder, da gab’s immer tolle Titelbilder, später auch Genschman und dann der Titel aller Titel, Uschis erste Banane! Oi nach Düsseldorf! In Düsseldorf hatte Birne dann seinen besten Tag, den Helmut, Helmut-Tag. Denke die Ossis dort wollten eigentlich nur eine kohlgleiche Kalorienanzahl, die D-Mark und brühende Landschaften. Brühend, genau, da war doch was: Geiles Promigesinge in der Nacht des Mauerfalls auf dem Balkon des Schöneberger Rathaus (u.a. auch dort ‚Ich bin ein Pfannkuchen‘ von JFK aufgeführt). Komplette Schieflage des Tons inkl. einem Pfeiffkonzi, was jeden Auftritt der Polizei-Motorrad-Staffel bei den Pokalendspielen der 80er im Olympiastadion in den Schatten stellte! Findste uff Du Glotze.

Noch nen Punkrock Fakt: Bonzo goes to Bitburg … mit Birne anna Hand. Aber es gilt ja auch, wer sich an die 80er erinnern kann war nicht dabei und ich trinke um die Kohlzeit zu vergessen. Leider immer noch nicht rum, da Angie ja so die 2.0 Nummer vom Pälzer ist. Das ironisch, politische Lied meiner bescheidenen 80er Kapelle dazu hies: Kohlsuppe!


MC-Motherfucker – Terrorgruppe-Sänger

Es gehört zu den positiven, gesellschaftlichen Errungenschaften, dass man nicht auf Toten herumtrampelt, selbst wenn sie, wie Helmut Kohl zu Lebzeiten, ganz und gar nicht den eigenen Vorstellungen entsprachen. Darum ist mir Adolf Hitler heute egal, Richard Nixon, Ronald Reagan, Sid Vicious, Roy Black und eben auch Helmut Kohl. Ich kann es sogar verstehen, dass gerade alle in ihren Nachrufen versuchen die guten Seiten und Taten dieses Menschen nach vorn zu stellen. Die Schlechten sind ja bekannt und stehen überall geschrieben. Ich bin kein Historiker, Journalist oder Politiker und es ist nicht meine Aufgabe die schlechten Taten des Helmut Kohl hier aufzuzählen. Sucht sie euch gefälligst selbst zusammen, dafür haben wir das Internet. Alles was ich über Helmut Kohl sagen kann ist, er hat mir mal unfassbar viel Angst gemacht und darum entstand im Jahr 1983 dieses Lied.

Zum Glück kam nicht Alles so schlimm, wie wir es uns damals ausgemalt hatten!


Ronny Hecht – Contra-Records-Labelmagnat und CEO

Oh Mann Bocky du mit deinem Scheiß immer. Das hier ist lange her: Damals war ich immer nur voll und habe alle Politiker gehasst. Als Hobbykrawalltouristen bin ich mit Freunden zum Einheizfestival nach Schwerin gefahren. Dort haben wir glaube ich an einer Kirche auf die ganze von uns gehasste Politprominenz gewartet.

Während wir warteten habe ich aus meinem Augenwinkel gesehen, wie ein Bulle in ein Dixie Scheisshaus rein ist. Daraufhin habe ich den Hausschlüssel meiner Mutter geopfert, um den Bullen ins Dixie zu sprerren, quasi als Riegel. Rein den Schlüssel und bumm die Tür war zu.*** Hahaha. Zur Krönung kippten wir logischerweise den Bullen noch mit samt vollgeschissenen Dixie um. Die Arme Sau. Haha. ACAB war damals nicht nur ein T-Shirt für uns, das war Tatsache, bei all dem Scheiß, was sie uns hier in unserem Provinznest angetan haben.

Dann hieß es jetzt kommen die Politiker raus. Also zack wieder zu der Kirche hin. Dabei kam es zu einer unkontrollierten Prügelei mit den Bullen, die sich schützend vor Leibwächter und Politiker stellten und sofort losprügelten. Dort verloren wir unsere ersten Leute, die wir später, nachdem uns die Bullen noch nach einer Prügelei mit den doofen Nazispacken aus Schwerin verhafteten, im vorläufigen Gefängnis außerhalb der Stadt, wieder trafen. Hinterher wurden wir in einen Sonderzug gesetzt und mussten Schwerin verlassen. Das war letztlich noch einmal gut für uns ausgegangen.

Danke Kohl, ab da konnten wir deine Visage noch weniger leiden. CDU, CSU und der ganze andere Scheiß, siehste ja was hier immer noch geht. Ich finde: Nach wie vor ist die Politik eine Hure. Egal ob von Rechts oder von Links. Sobald Sie an der Macht sind, missbrauchen die Arschlöcher alle Ihre Positionen zu Gunsten ihres eigenen Umfeldes. Das soll natürlich nicht eine gesunde linke Einstellung mit der Einstellung eines Nazis gleichsetzen! Alles in allem, fordere mich bitte nicht mehr auf über so etwas zu schreiben, das ist nicht gut für Herz. Da kocht mein Blut vor Wut.

*** Entschuldigung Mutti falls Du das liest.


Ronja – Plastic-Bomb-Mastermindin

Als ich 1983 geboren wurde, war Kohl bereits Kanzler und als ich ein paar Jahre später ein politisches Bewusstsein entwickelte, sprach die Nation bereis vom „Bundes-Kohlzler“. Irgendwie bin ich froh, dass ich 1998 noch nicht an die Urne durfte, ich hätte vermutlich, um Kohls Abwahl sicher zu stellen, die SPD gewählt … und das wäre mir dann auf ewig peinlich gewesen. Für mich persönlich ist die Ära Kohl in erster Linie aus dem Artwork und Textinhalten von 90er Jahre Deutschpunkscheiben nachzuvollziehen, wo er ja, zusammen mit Franz Josef Strauß, ein Konsens-Feindbild darstellte, wie es die Szene bis heute nicht wieder aufbauen konnte.


Oliver Obnoxious – Ehemaliger Punkrock!-Fanzine Mitbegründer und Bildungstempler

Wenn ich an Helmut Kohl denke, fallen mir seltsamerweise nicht zuerst irgendwelche Eckpunkte aus der viel zu langen Zeit seines politischen Schaffens ein, sondern der Ärzte-Song „Helmut K.“. Ich denke, die beste Bänd der Welt hat es 1987 mal wieder geschafft, die Sache auf den Punkt zu bringen. Helmut Kohl war ein alter Sack, der wenig Rücksicht auf andere nahm, wenn es darum ging, seine Scheiß-Ziele zu erreichen.

Das unterschiedet ihn zwar nicht von einem Großteil aller anderen Politiker, aber er war halt jahrzehntelang in irgendwelchen Positionen, in denen sich das besonders bemerkbar gemacht hat. Für mich damals eine echte Hass-Figur, die ich am liebsten an den Eiern aufgehängt gesehen hätte. Der Kanzler der Einheit, wenn ich so eine Scheiße schon höre … Was hat er denn dafür gemacht? Und aus den versprochenen blühenden Landschaften ist auch nichts geworden. Eher verbrannte Erde. Was ich von ihm in bleibender Erinnerung behalte: Den Solidaritätszuschlag und die Erkenntnis, dass er im Keller seine Hannelore geschlagen hat. Oder war da etwa noch mehr?


Nanette – Damals Fat Wreck Chords Europe, heute Presseabteilung SO36

Soundtrack zu diesem kleinen Aufsatz:

Ich habe die Ära Kohl vom Anfang (als friedensbewegter gerade erst Teenager), bis zu ihrem viel zu späten Ende (da war ich schon radikalisiert, Punk und in Berlin), miterlebt und wie sich die gemütlichen Hippie und Punk geprägten 70er und frühen 80er in das ekelhafte Neoliberale Yuppieparadies unter Kohls Regierung verwandelten. Dass Kohl und Strauß sich für uns politisch interessierten (linke und Anarchojugendlichen) in der gleichen Liga spielten und verdientermaßen ausgezeichnete Feinbilder abgaben, scheint den Nachwachsenden, die den nur noch als Skurriles Überbleibsel einer längst vergangen geglaubten Epoche kennen, vielleicht befremdlich. Vielleicht kennen die auch nur noch seinen Ausraster nach diesem gut gezielten Eierwurf von YouTube, wenn überhaupt?

Ich hab noch lebhafte Erinnerungen an Titanic Ausgaben mit „Birne“ und etlichen Pfälzer/Helmut Kohl/Saumagen-Witzen. Was man nicht besiegen kann, darüber macht man Witze. Aber vermutlich war uns damals in keinster Weise klar, was für ein berechnendes, abgebrühtes Schwein der Typ wirklich war.
Eigentlich haben es die großartigen Hammerhai mit ihrem Lied „Unser Land“ über die Schwarzgeldaffaire Helmut Kohls schon ganz ausgezeichnet formuliert. Man wollte damals eigentlich nur kotzen und der widerliche, feist dreiste, dicke, birnenförmige Sack hätte von uns aus gerne den Rest seiner viel zu langen Tage in Beugehaft verbringen können, um die Namen seiner Bestecher endlich rauszurücken oder elend zu verrecken. Aber das kann man ja mit einem sooo wichtigen Staatsmann nicht machen!

Dass er jetzt tot ist: Geschenkt und eigentlich keinen Nachruf wert. Ich hätte mir nur gewünscht, dass er damals mal die ganzen Mechanismen der Macht am eigenen Leibe zu spüren bekommen hätte, statt mit einer fetten, steuerfinanzierten Rente abzudanken, die jetzt noch seine 2. Ehefrau
lecker weiter kassiert.

„Meinungsmache finanziert, die eigene Macht einzementiert Gesetze verbogen, die Steuer betrogen, was ist denn schon dabei?“ (Hammerhai, Unser Land)

Noch mehr Soundtrack:


Johnny Bottrop – Terrorgruppe-Gittarist
Adios, du Koloss! Hoffen wir mal, dass sich dieses von dir „wiedervereinigte“ grosse Dingsbums names „Deutschland“ auch irgendwann mal wieder selber abschafft, West-Berlin dann als Bundesland von Trinidad & Tobago. Und Rheinland Pfalz wird zur Strafe den Nordkoreanern zugeteilt. Aber du hattest sicher damals, 1989/90, voll die falschen Berater und konntest schon längst deinen historischen Irrtum bereuen, oder? Rest in peace, Birne


Wally – Toxoplasma-Sänger

Ein rücksichtsloser Machtmensch, der spätestens ab seinen Lebensabend teuer dafür bezahlt hat. Zumindest bewies er Charakterstärke, als er seine korrupten Kumpels trotz enormen Drucks nicht verpfiffen hat. Aber das Karma lässt sich halt nicht lumpen. Aber die Birne ist ja nu‘ geschält.


Bäppi – Human-Parasit-Fanzine-Macher, Panzerband-Sänger (RIP)

Der Vater des Vaterlandes und Mitbegründer von Europa, Birne, der schwarze Riese, unser Bimbeskanzler … tot. Was mir im Gedächtnis bleiben wird, ist lediglich ein weiterer fetter und korrupter Politiker, der in den letzten Jahren nur noch ein Schatten seiner selbst gewesen ist und eine Bereicherung für jedes Gruselkabinett gewesen wäre. Birne ist tot. Mehr nicht. Nur eine weitere deutsche Kartoffel auf dem Totenacker. Birne ist tot, Apfel (Holger) leider noch nicht. Esst mehr Obst.


dennisdegenerate – Polytox-Autor und Konzertorganisator in FFM mit der Face-Slap-Gruppe

Helmut „die Birne“ Kohl, war seit meinem dritten Lebensjahr Kanzler und das durch meine gesamte Adoleszenz hindurch. Pershing und Perestroika beeinflussten wohl, im Nachhinein betrachtet, mehr als ich dachte. Auch wenn ich als Kind von den politischen Vorgängen wenig mitbekam, so war doch die Stimmung die in den 80er Jahren die Bevölkerung umgab prägend. Spätestens in der Retrospektive, wenn ich in den Neunzigern Bands wie Slime, Toxoplasma oder Razzia hörte. Gerade letztere transportierten mit einem meiner alltime Lieblingslieder „Arsch im Sarge“ das Bedrohungsszenario eines Zweimächte-Krieges und der Steifheit der Regierungen.

Das Gefühl, wenn ich als Kind meinen Vater in der Polizeidienststelle besuchte und die RAF-Fahndungsplakate an Türen und Wänden klebten, war diffus von Unwissen, aber auch merkwürdiger Ahnung geprägt. Zu Kohl selbst kann ich gar nicht so viel sagen, darum gebe ich lieber die Gefühle und Gedanken wieder, welche mir zu der Zeit in den Kopf kommen. Zum Beispiel das Gefühl, in einem Bild zu leben. Das Deutschland meiner Kindheit war eben von diesen Bedrohungen, welche man durch die Nachrichten mitbekam aber auch von einer satten Stagnation durchzogen, Wohlstand, Urlaub in Dänemark, 3 Programme im Fernsehen, Oma erzählt vom Krieg.

Dann kamen Wende, die Brandanschläge in Rostock Lichtenhagen und nah vor meiner Haustür – Hünxe und Solingen, keine „Blühenden Landschaften“, der „Eierwurf“, der Zerfall und der Krieg in Jugoslawien, Geflüchtete in unserer Turnhalle, die Chaostage in Hannover, Spaßtage auf dem Marktplatz, Proteste gegen das Atommüllzwischenlager Ahaus, Jugend-Antifa, ab da war Punk und mein Leben wurde politisch. Da war die Birne aber schon im letzten Drittel angekommen und der Agenda-2010-Gerd trat auf den Plan. Die konservativen 80er eigneten sich gut, um beschissene Dinge abzulehnen und dagegen anzuschreien, Subkulturen schossen wie Pilze aus dem Boden.

Nun erlebe ich den Konservativen Rollback und die Kohl 2. Ob sie für meinen Sohn die ewige Kanzlerin sein wird?


Ecke – Endless-Summer-Mitveranstalter und Konzertveranstalter im Leipziger Conne Island

Was mir zuerst zu Helmut Kohl einfällt? Mein Vater kam in der Zeit kurz nach der Wende von der Arbeit und erzählte von einem Gespräch mit seinen Arbeitskollegen: „Wir wählen alle den Helmut!“, so wohl die Tendenz in der Arbeiterschaft, „Der verarscht uns nicht. Der hat doch dann DEN WÄHLERAUFTRAG!“ berichtete mein Vater kopfschüttelnd von der Diskussion. So hatten sicher viele gedacht. Man sollte ja nie schlecht über Tote reden. Aber ich fand Helmut Kohl seit ich denken kann scheiße. Ein selbstgerechter Unsympath mit einem Leibgericht namens Saumagen. Daran musste ich immer denken, wenn von Helmut Kohl die Rede war. Irgendwie eklig halt.

Jetzt, rückblickend gesehen, mit dem Wissen was das wohl für ein kalter Mensch war, wird mir der Kerl noch unsympathischer. Als der irgendwann mal (ich glaube es war in Halle) mit Eiern beworfen wurde und sich von seinen Leibwächtern losriss, um sich den Werfer zu schnappen – das war der einzige Moment wo ich so etwas Respekt für ihn empfand. Riot Helmut, groß wie die Zugspitze – wie geil das gewesen wäre, wenn der da durchgezogen hätte! Seine politische Lebensleistung maße ich mir nicht an einzuschätzen, bin aber der Meinung dass er die Wahl ohne die Ereignisse von 1989/1990 gegen Oskar Lafontaine haushoch verloren hätte. Der war einfach ehrlich zu den Leuten, während Kohl ernsthaft behauptete die Einheit könnte man aus „der Portokasse bezahlen“.

Wo wir wieder bei meiner Eingangseinlassung wären: Die einfachen Leute haben ihm einfach geglaubt … Die Engländer sangen ja nach Maggie Thatchers Tod „Ding Dong the witch is dead“…


Vor dem Haus bin ich ganz alleine und kann mir anschauen, was Menschen dort für ihn zur Trauer hinterlassen haben.

Diana Ringelsiep – Urban-Lifestyle-Trash-Bloggerin und Polytox-Gastautorin

Meine komplette Kindheit über war Helmut Kohl Bundeskanzler. Mit vier Jahren habe ich ihn zum ersten Mal wahrgenommen. In Berlin wurde damals eine große Mauer eingerissen und der dicke Mann mit der Hornbrille redete sehr gerne über diese Mauer – zumindest gab er im Fernsehen ständig Interviews dazu und ich musste dann meistens leise sein.

Von da an antwortete ich „Helmut Kohl“, wenn mich jemand nach dem Bundeskanzler fragte. Und das nicht nur in der Grundschule, sondern auch später noch, auf dem Gymnasium. Als Kind war das natürlich praktisch, so musste man sich keine neuen Namen merken. Er war eine Art Königin Elisabeth, eine gegebene Institution, an der es nichts zu rütteln gab. Mein Interesse an Politik wurde schließlich mit 13 geweckt, als Schröder Kanzler wurde. Erst da begann ich zu hinterfragen, was er all die Jahre getan hatte und das war eben nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen. Jetzt ist er tot und es ist mir egal. Er war Kanzler, als ich noch damit beschäftigt war, Sticker zu tauschen und Boygroups zu hören.

Daher bin ich so ziemlich die Letzte, die sich dazu berufen fühlt, nun große Reden zu seinem Ableben zu schwingen. Es nervt mich bloß, dass immer alle meinen, sich nach dem Tod eines Prominenten ausgiebig zu dessen Tun und Schaffen äußern zu müssen, obwohl es sie vorher nicht interessiert hat. Helmut Kohl hat Gutes und Schlechtes getan. Jetzt ist er tot und das sollte weder dazu führen, ihn nachträglich zu einem Heiligen zu machen, noch sollte man sich jetzt das Maul über einen gerade Verstorbenen zerreißen – denn da draußen gibt’s genug fragwürdige Menschen an der Macht, die gerade in diesem Moment Geschichte schreiben. Konzentrieren wir uns auf die!


Karsten Scholl – Nazi-Dogs-Sänger

Was ging mir Helmut Kohl früher auf die Nerven ! In Fachkreisen „Birne“ genannt, verhaspelte dieser sich in seiner unnachahmlichen kretinisch/pfälzischen Artikulationsweise ständig bei irgendwelchen Kundgebungen, Parteitagen, Wahlkampfauftritten – es war eigentlich eher zum Schießen, wäre da nicht die „geistig-moralische Wende“ gewesen, welche Birne nach seinem Wahlsieg 1983 ausrief und auch fleißig umsetzte. Sozialhilfekürzungen, innere Sicherheit, Volkszählung und Wiedervereinigung fallen mir spontan ein. Die deutsche Einheit hatten natürlich eher Brandt und Bahr zu verantworten mit ihrer (von Birne damals noch verabscheuten) Ostpolitik, aber egal. Helmut Kohl ist nun mit 87 Jahren verstorben und ich empfinde – nichts.


Dominik – Fucking-Angry- und Canalterror-Schlagzeuger

Für mich war er immer ein selbstherrliches Arschloch. Er war zufällig Kanzler als die DDR unterging, meiner Meinung nach kam er zur Wiedervereinigung, wie die Jungfrau zum Kind. Danach wurden den Ostdeutschen das Blaue vom Himmel versprochen, um die eigene Macht zu verfestigen. Die ganze Spendenaffäre, wo er angeblich nichts mehr wusste, bzw. dann die Aussage verweigerte, wird jetzt bei allen Lobhudeleien nicht mehr thematisiert. Kohl war USA-hörig und für mich der Prototyp des fetten machtbesessenen Politikers. Birne war scheiße.


Jan, Trust Fanzine

„Oggersheim, ich komme“
Einige spontane Punk-Assoziationen zu Helmut Kohl: natürlich INFERNO („Birne muss Kanzler bleiben“), NORMAHL („Helmut Kohl halt´s Maul“), der Vater von Tobias Scheisse war Redenschreiber für Kohl, im OX-Zine war vor einigen Ausgaben ein spannendes Interview mit einem von Kohls Söhnen, es gab in den 90er die Punk-Band DEAD BIRNEN in meiner Heimatstadt Leverkusen. Dann denke ich an diverse „TITANIC“-Titelbilder zu dem Sujet, natürlich an die von Kohl, der ostdeutschen Bevölkerung in Aussicht gestellten „blühenden Landschaften“, 1989/1990 in Verbindung mit zwei geilen Punk-Songs zum Thema Wiedervereinigung, „Zwei Brüder“ von Muff Potter („Der Ältere der beiden Brüder glaubte leider er sei perfekt. Von den Ideen des anderen wollte er nichts hören“) und „Go West“ von Molotow Soda („Für eine Handvoll DM verkauften sie ihr Land“). Ferner denke ich an meinen Besuch auf dem Ehrenfriedhof Kolmeshöhe in Bitburg 2003 zurück, dort, auf dem sogenannten Ehrenfriedhof, auf dem u.a. auch Personal der Waffen-SS liegt, gaben sich Kohl und Reagan 1985 die Hand („Schlussstrich“) und es begann im Anschluss der Historikerstreit (Vgl. Ramones, „Bonzo goes to Bitburg“).

Aber meine direkteste Verbindung zu Kohl ist eine andere. Vor einigen Jahren machten meine Freundin, ich und ein sehr guter Freund einen Ausflug zu Kohls Bungalow nach Ludwigshafen-Oggersheim. Der Plan? Aus reinem zeitgeschichtlichen Interesse mal vor Ort live schauen, wie Kohl so wohnt – und im Anschluss einen Pfälzer Saumagen zu verspeisen, immerhin doch seine Lieblingsspeise. An einem verregneten Sonntagnachmittag fuhren wir aus Hessen los Richtung Rheinland-Pfalz und fanden ohne Probleme die richtige Adresse in fucking Oggersheim. Es gab dort eine Polizeidienststelle und vor dem Kohl-Bungalow stand ein Polizeiwagen. Es war niemand auf der Straße zu sehen. Wir hielten ziemlich am Ende der Straße, um auszusteigen und uns Beine-vertretender-Weise seinem Bungalow zu nähern. Meine Freundin wollte ein Foto machen, als sie dazu ansetze, stand schon die Polizei-Streife neben uns und verlangte unsere Personalien. Der Polizist checkte alles im Wagen, seine Kollegin stand mit uns im Regen und warteten. Es war dann alles okay, aber ein Foto war nicht drin. Kann ich sogar verstehen, Terrorismus und so, obwohl es uns doch kurz etwas aufregte. Im Anschluss kehrten wir aber noch nett auf drei Saumagen in Oggersheim ein, was uns den Ausflug schlussendlich doch versüßte.

Wer waren nun die geheimen Spender, die Kohl nie verriet? Hätte ich ihn live getroffen, ich hätte ihn gefragt, ob es eher die BAYER AG oder doch die DEUTSCHE BANK war. Wer sich für ein wirklich spannendes Sachbuch zu dem System KOHL interessiert, dem empfehle ich „Helmut Kohl, die Macht und das Geld“ von Hans Leyendecker.

Ich will nicht punkzynisch enden, ich meine klar, „Ehrenmann“ von den Toten Hosen würde sich anbieten. Ich kannte Kohl nicht, andererseits habe ich immer das Gefühl gehabt, als kannte ich ihn doch schon mein ganzes Leben, immerhin war er während meiner ganzen Jugendzeit Kanzler. Es ist immer schade, wenn jemand stirbt. So auch hier.


Alex – Pascow-Sänger und Tante-Guerilla-Mailorder-Betreiber

Kohl-Jugend

Wir haben einen Song, der Merkel-Jugend heißt. Um ehrlich zu sein haben wir den Titel von einer Deutschpunk-Band geklaut, die es in den 90igern in unserer Stadt gab. Nur hieß die Band nicht Merkel-Jugend sondern Kohl-Jugend. Niemand von uns hat diese Band je live gesehen und wir wissen auch nicht, ob es irgendwelche Aufnahmen der Kohl-Jugend gibt, trotzdem blieb uns der Name dieser Band immer im Gedächtnis weil er die Zeit von 1982 bis 1998 und damit einer ganzen Generation Heranwachsender so gut beschrieb.

Wir waren Teil einer Jugend, die sich nicht vorstellen konnte, dass jemals irgendjemand anderes Bundeskanzler werden würde als dieser große, gewichtige Mann aus Oggersheim, der so sehr und so total an seinem Posten klebte, dass nicht nur wir kleinen Punker in der Gewissheit aufwuchsen Jugend unter Kohl zu sein. Und was haben wir den Machthunger und die Arroganz dieses Menschen verachtet, wir haben seinen Umgang mit kritischen Medien gehasst und haben Ende der Neunziger alles daran gesetzt, dass es zu einem Wechsel kommen sollte. Und nein, Schröder war weiß Gott nicht der Erlöser …

Nun ist Helmut Kohl gestorben und die Welt feiert ihn entweder als großen Staatsmann oder hasst ihn wegen dem was er war und tat. Es wäre jetzt einfach, posthum nochmals alle Schandtaten und Verfehlungen dieses Mannes auszugraben. Wahrscheinlich zu einfach. Darum will ich es so sagen: Während seiner aktiven Zeit haben wir sehr viel, vielleicht sogar alles was wir konnten, getan, um die Ära Kohl zu beenden. Jetzt, nach seinem Tod, werden wir nicht nochmals damit anfangen.

Mein fünfminütiger Besuch ist zu Ende. Ich verlasse den Bereich vor dem Haus durch die zweite Schleuse, fahre heim und stelle den Artikel in den Blog.
Bocky
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