Jeff Rosenstock – Grund zur Sorge

DIY Songwriter/Producer/Indie-Papst

Wie Jeff Rosenstock dazu kam zu behaupten, dass im Falle Trump schon alles gut gehen würde, versteht er selbst nicht mehr. Deutlich geistesgegenwärtiger ist er bei diesem Gespräch.

Es gibt viele Gründe, die Sorge bereiten können. Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein. Krieg in Syrien, die Türkei verbietet Weihnachten, Donald Trump wird tatsächlich der nächste US Präsident und die kaufwütigen Verrückten machen wieder die Innenstädte unsicher. Ok, das letzte war jetzt etwas deplatziert, in Anbetracht der tatsächlichen Konflikte und Krisen, aber geschenkt.

Für Jeff Rosenstock läuft’s jedenfalls. „Worry.“ ist eines der besten Alben des Jahres (das ist einfach FAKT) und auch sonst ist einiges los, bei dem DIY Songwriter/Producer/Indie-Papst.

Du hast dein neues Album mit “Worry” – also Sorge betitelt. Und wie wenn du es vorhergesehen hättest: Donald Trump wurde ins Weiße Haus gewählt und die ganze Welt macht sich große Sorgen. Hättest du nicht einen besseren Albumtitel wählen können?

Ich wünsche mir im Nachhinein auch, wir wären beim urprünglichen Titel „Donald Trump, The KKK’s Choice For President, Can Actually Become The President Of America, So Vote, You Fucking Idiots, Just Fucking Vote, Don’t Let This Fucking Happen!!!!!!!!” geblieben. Aber das sah halt auf dem Albumcover nicht schön aus.

Ich weiß ehrlich nicht mehr, wie ich darauf kommen konnte, das zu sagen. Ich muss wohl besoffen gewesen sein.

In einer Reportage für die Vice hast du am Schluss gesagt, dass am Ende alles gut ausgehen wird. Glaubst du das immer noch? Was befürchtest du für die kommenden Jahre der Trump-Präsidentschaft?

Ich weiß ehrlich nicht mehr, wie ich darauf kommen konnte, das zu sagen. Ich muss wohl besoffen gewesen sein. Oder ich habe wahrscheinlich immer noch nicht daran glauben wollen, dass er tatsächlich gewinnen könnte. Hierzulande haben uns die Medien ständig gesagt, dass er nicht gewinnen wird. Ich weiß nicht, ob am Ende alles gut wird. Ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll, so viele Ängste habe ich vor den kommenden vier Jahren. Donald Trump’s Kernanliegen seiner Wahlversprechen sehen die ethnische Trennung und Säuberung vor – und damit hat er gewonnen. Das ist total Fucked Up! Die Leute, die er jetzt in sein Kabinett berufen wird, sind weiße Nationalisten und Rechtsextreme, die sich den Deckmantel „Alt-Right“, also alternative Rechte geben, um zu verschleiern, dass sie klar rechtsextrem sind. Ich denke er wird Richter für den Obersten Gerichtshof auswählen, die für die nächsten fünfzig Jahre die Gleichberechtigung von Minderheiten verhindern werden. Ich glaube nicht, dass es in irgendeiner Form eine Reform des Gefängniswesens oder der Polizei geben wird. Dabei bräuchten wir diese Reformen schon seit Jahren dringend. Das ist ein anderer Aspekt seiner Wahl. Es gibt schon seit Jahren so viele Dinge, die geändert werden müssten und für die wir gekämpft haben. Und jetzt sieht es danach aus, dass all das die nächsten Jahre nicht passieren wird. Ich hoffe, dass ich Unrecht habe. Seine Wahl birgt auch die Chance, dass alle, die sich für Fortschritt und Gleichheit einsetzen zusammenraufen und ihre Differenzen vergessen, um geeinter und stärker gegen die Trump-Präsidentschaft vorzugehen. Dann könnten wir wirklich etwas verändern.

Im Ramones-Museum in Berlin spielten die Amis auch schon ein Set

Dein letztes Album kam erst vor einenhalb Jahren raus. Jetzt hast du schon wieder 17 neue Songs veröffentlicht. Andere Bands schreiben jahrelang an einer Platte und kommen nicht voran. Was machst du anders?

Ich weiß es auch nicht. Ich setze mich nicht bewusst mit einer Gitarre hin und sage: Jetzt schreibe ich einen Song. Dinge fallen mir einfach ein, während ich herumlaufe oder etwas in meinem Haus erledige. Diese Ideen verfolge ich dann, bis daraus ein Song wird. Daraus entsteht dann ein Demo und ich arbeite weiter daran. Ich schreibe nie, weil ich eine Deadline habe oder ein neues Album aufnehmen muss. Das hört sich für mich immer furchtbar an, wenn eine Band so etwas versucht. Da steht man dann so unter Druck, dass kaum etwas Gutes rauskommen kann. Ich habe meistens so viele Ideen, dass wenn ein neues Album veröffentlicht wird, ich schon Songideen und fertige Songs habe, die dann auf der nächsten Platte landen.

“Worry.” klingt sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite sehr melodisch, dann wieder sehr aggressive, sogar ein Ska Song hat’s wieder drauf geschafft. Planst du solche Dinge oder passiert sowas einfach?

Ich höre einfach viel unterschiedliche Musik. Deshalb reichen meine Einflüsse auch von Patsy Cline, Pulp, Weezer, Operation Ivy bis hin zu den Beach Boys und Born Against. Das beeinflusst mein Songwriting natürlich. Ich glaube, dass jede Platte die ich bisher aufgenommen habe so war, vor allem die frühen Bomb The Music Industrie Scheiben. Auf „Worry“ ist das einfach ein bisschen deutlicher zu sehen, wie am Ende alles ineinanderfließt. Ich versuche dabei nur die Songs, die in meinem Kopf sind, aufs Papier und auf die Platte zu bringen. Die sollen dann so klingen, wie sie sich in meinem Kopf anhören. Wenn ich das schaffe, ist der Song fertig. Manchmal, wenn ich Demos schreibe, muss ich Teile wieder rausnehmen, weil das einfach nicht so funktioniert. Sowas passiert viel öfter, als dass ich sage: der Song ist noch nicht fertig. Bei dieser Platte habe ich versucht neuere Musik, die mir gefällt, durch Bands, die meine musikalische Sozialisation geprägt haben, zu interpretieren. Heutzutage glauben einige hippe Typen, dass es cool sein sich nur auf einen Stil zu beschränken. Aber wenn du in einer Bar bist und der Barkeeper legt Less Than Jake auf, dann begeistert das die Leute, weil es in ihnen Erinnerungen an ihre Vergangenheit weckt und wie sie diese Musik als junger Mensch liebten. Ich versuche daran festzuhalten, auch wenn ich älter werde.

Nein, ich glaube nicht, dass wir diesen Kampf verloren haben. Es gibt täglich tausende DIY Shows auf der ganzen Welt in Kellern, DIY Artspaces und besetzten Häusern.

Im Lied “Festival Song” singst du über die Kommerzialisierung von Musik. Ist das nicht eine Diskussion der Vergangenheit? Das ist doch längst alles durch. Heutzutage ist doch jedes größere Festival gesponsert von Biermarken oder anderen Firmen. Selbst The Fest wird von PBR – Papst Blue Ribbon, Billigplörre – unterstützt. Hat die unkommerzielle Musik diesen Kampf verloren? Und spielst du selbst auf solchen größeren Festivals?

Nein, ich glaube nicht, dass wir diesen Kampf verloren haben. Es gibt täglich tausende DIY Shows auf der ganzen Welt in Kellern, DIY Artspaces und besetzten Häusern. Ich halte es für Bullshit, wenn die Leute glauben, dass das nicht mehr möglich ist. Denn das ist es immer noch. Das Wichtigste an dem Song ist der Refrain. In dem singe ich:„They wouldn’t be your friend if you weren’t worth something, if you didn’t have something they could take”. Wir spielen Festivals wie The Fest, weil diese sehr inspirierend sind. Die Musik und das ganze Wochenende fühlt sich magisch an. Außerdem gibt es nichts im Leben umsonst und die Organisation so eines Festivals ist teuer. Deshalb ist es für uns wichtig, was wir aus so einem Musikfestival mitnehmen können an positiver Energie. Diese müssen wir dann in unsere Kultur wiedereinbringen und nicht in die Kultur, die uns dort das ganze Wochenende verkauft werden soll. Wir müssen diese Marken auf den Festivals ablehnen.

Du bist bei Sideonedummy geblieben. Wie waren deine Erfahrungen mit ihnen? Und was sagen die eigentlich dazu, dass du dein Album wieder verschenkst?

Haha, ich glaube die haben das total vergessen, dass ich meine Alben immer gratis bei Quote Unquote Records veröffentliche. Das war etwas, worüber wir damals geredet hatten, bevor ich den ersten Vertrag unterschrieben habe. Sie wissen, wie wichtig mir das ist und ich glaube ehrlich, dass das ihre Plattenverkäufe nicht wirklich beeinflusst. Jedes Album ist doch heute sowieso online verfügbar. Ob auf Spotify oder Youtube. Der große Vorteil ist, dass ich jetzt nicht mehr alles alleine machen muss und mehr touren kann. Es ist einfach schwierig, wenn man eine Plattenfirma am Laufen halten, seine Shows buchen und dann auch noch das neue Album promoten muss, all das während man im Tourbus sitzt. Da hilft mir SideOneDummy sehr. Jetzt habe ich mehr Zeit, um noch härter zu arbeiten. Zum Beispiel habe ich ein neues Album für The Smith Street Band in Australien, Kalifornien, New York und New Jersey produziert. Das hat alles von August bis Mitte Oktober stattgefunden. Während dieser Zeit haben Jamie von SideOne und Mirko von Uncle M die ganze Pressearbeit für das neue Album organisiert. Deshalb musste ich mich immer wieder aus den Aufnahme- und Mixing-Sessions kurz rausschleichen und Interviews zu „Worry.“ geben. Direkt am Tag nachdem ich mit der Smith Street Platte fertig war, bin ich nach LA geflogen, um dort die Plattenreleaseshow zu spielen, ein Musikvideo zu drehen, dann bin ich heimgeflogen. Wir haben zweimal geprobt und sind dann für eine einmonatige Tour durch die Staaten aufgebrochen. Für eine normale Person würde also die Hilfe durch eine Label den Druck etwas rausnehmen, weil man sich nicht mehr um alles kümmern muss. Bei einem Psycho wie mir, gibt das aber einfach noch mehr Möglichkeiten mich selbst weiter zu pushen und noch mehr zu arbeiten.

Mein Lieblingssong ist “Hellhoooooleee”. Du bist ja aus Brooklyn. In was für einem Höllenloch wohnst du so?

Es gibt in Brooklyn Luxusappartments in Gegenden, in denen die Leute oft ausgeraubt werden. Die Immobilienmakler sind total begeistert, dass Brooklyn gerade boomt und jeder hier leben will. Dort gibt es viele arme Menschen, die sie dann aus ihren Appartments kicken können, um diese in schicke renovierte Gebäude umzubauen. Ich frage mich oft, wo diese Menschen dann hinziehen. Im Moment lebe ich in einem sehr ruhigen Appartment. Wir wohnen hier schon seit Jahren und es ist in einer netten Nachbarschaft in Greenpoint. Als ich das neue Album geschrieben habe, sah es gerade danach aus, dass ich und meine Frau und Tourmanagerin Christine aus unserer Bude geschmissen werde. Und das nur wenige Wochen nach unserer Hochzeit. Alle anderen Wohnungen wurden geräumt. So läuft das hier. Mir wurde auch die Miete schon so erhöht, dass ich ausziehen musste. Das ist natürlich richtig scheiße. Als ich die Platte geschrieben habe, habe ich nicht gewusst, wo ich wohnen würde, wenn ich fertig bin und wo ich es mir leisten kann. Wir hatten dann Glück, dass wir nicht sofort rausgeworfen wurden. Aber es gibt auch einige offensichtliche Baumängel in der Wohnung. Das Dach macht Probleme, es gibt Löcher in der Decke und die Wohnung wird wohl früher oder später renoviert werden müssen.

Die coole und etwas andere Konzertankündigung

Im Song “The Fuzz” singst du über Polizeibrutalität. Ein Thema, das ja leider im letzten Jahr Hochkonjunktur hatte in den USA. Als Reaktion darauf ist die „Black Lives Matter“-Kampagne entstanden, die sich für die Rechte der Verfolgten einsetzt. Und dafür werden sie jetzt von Trump-Unterstützern angegriffen. Ist das für dich ein Indiz für die Spaltung in deinem Land?

Das wirkt alles wie ein furchtbarer Albtraum. Ich kann es gar nicht glauben, wie respektlos mit Menschen in unserem Land umgegangen wird. Ich denke, dass die Black Lives Matter Bewegung da viel bewegt, weil sie auf das Problem aufmerksam machen und das ist ein guter Anfang. Doch dafür sind sie ins Fadenkreuz der Trump-Unterstützer gekommen, die die Bewegung verachten. Die verachten alles, was nicht weiß ist. Das sind Rassisten, ob sie es selbst wissen oder nicht. Da gibt es keinen Zweifel. Die sprühen Hakenkreuze überall in Amerika hin, beschimpfen Farbige in ihren Autos und raten ihnen dazu das Land zu verlassen. Davon gibt es Videos – und trotzdem sagen die Trump-Fans, dass sowas nicht passiere. Wir sehen gerade zu, wie sich der schlimmste Teil der Geschichte unseres Landes wiederholt und ich hoffe nur, dass wir die Kontrolle wiederbekommen, bevor es zu spät ist.

Das wirkt alles wie ein furchtbarer Albtraum. Ich kann es gar nicht glauben, wie respektlos mit Menschen in unserem Land umgegangen wird.

Naja, aber für dich läuft’s ja ganz gut. Du hast geheiratet, deine Karriere läuft, du produzierst Platten für tolle und erfolgreiche Bands, z.B. The Smith Street Band. Was kommt bei dir als nächstes?

Es fühlt sich irgendwie falsch an, wenn es gerade gut läuft wegen all dieser Dinge. Aber naja. Das steht bei mir jedenfalls demnächst an: Ich werde Ende des Jahres eine neu Platte für Walter Etc. produzieren. Dann haben wir darüber gesprochen mit Antarctigo Vespucci (Anm. Martin: Ein Nebenprojekt von Jeff mit Chris Farren von den Fake Problems) ein neues Album zu machen. Mit Mikey Erg (The Ergs) und Dan Adriano (Alkaline Trio) will ich etwas machen, aber da gibt es nocht nichts Konkretes. Im März geht es mit The Menzingers auf Tour und hoffentlich danach auch nach Europa und Australien. Es ist so ein Glück, dass ich die Welt bereisen und dabei Musik spielen darf, das ist für mich nicht selbstverständlich. Außerdem gibt es Gespräche über eine Asientour mit meiner Bruce Lee Band. Das wäre echt krass. Zwischen all den Plänen werde ich versuchen so viel wie möglich auf Demonstrationen in New York zu gehen und diese neue Regierung zu bekämpfen, die uns alle nicht repräsentiert, die sich für Gleichberechtigung einsetzt.


Format: CD, MP3

Band Website: Jeff Rosenstock

Label Website: Sideonedummy Records

 

Martin Weber
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