Kreator – Re-Releases von Coma Of Souls, Renewal, Cause For Conflict, Outcast

Die erste große Musikliebe

Es muss 1989 gewesen sein, als ich mich mitten im Pfälzer Wald auf einer Teenie-Party befand. Allerdings kann ich mich nicht mehr daran erinnern bei wem. Stattdessen wie ich zu meiner ersten Kreator-LP kam. Extreme Aggression drehte dort nämlich ihre Runden und ich war hellauf begeistert von der Wut und dem Zorn, die mich da anschrien. Als es Zeit war zu gehen, nahm ich die Scheibe einfach mit. Denn der Typ, dem sie gehörte, war für mich ein Depp, weil er auch irgend etwas von den Onkelz dabei hatte.

Daheim angekommen verließ dieses Stück Vinyl wochenlang nicht meinen Plattenspieler. Auch heute kann ich die Texte noch fehlerfrei mitsingen. Was für andere Sex Pistols, Ramones, The Clash oder sonstwer waren, war für mich Kreator. Meine erste richtige Lieblingsband. Sänger Mille Petrozza hing ich an den Lippen, wenn er „My aggressions became too extreme to be kept under control“ keifte, er sprach mir aus dem Herzen und der Seele zugleich. Diese zugeschissene Trostlosigkeit in der ich mich in einem verkackten 700-Seelen Ort mitten auf dem Land befand, in dem ich der Einzige (!) in meinem Jahrgang war, sie war hundserbärmlich.

Coma Of Souls – 1990

Angestochen wie ein trockener Alkoholiker, dem man einen leckeren Wodka untergejubelt hat, mussten alle Pullen leergesaugt werden, die es auf dem Markt gab. Sprich die drei Vorgänger-Alben zu Extreme Aggression – von vorne: Endless Pain, Pleasure To Kill und Terrible Certainty – wurden ebenfalls direkt an die Venen angeschlossen, bis mit Coma Of Souls endlich wieder neuer Stoff verfügbar war. Da sich die zehn neuen Lieder nicht groß vom Vorgänger unterschieden, blieb die Euphorie für die Band ungebremst. Der Titeltrack, People Of The Lie, Terror Zone und Material World Pharanoia wurden wie blöd gefeiert. Heute bin ich davon überzeugt, dass dieses Album und jenes davor, maßgeblich für meine charakterliche Entwicklung sind und mir den Weg zum Punk ebneten. Denn in beiden steckt unfassbar viel ungezügelter Frust und Ärger (gegen Staat, Gesellschaft und Nazis), der bei mir damals Fünfzehnjährigen pubertierenden Rebellen wie ein Cocktail aus Speed, LSD, Ecstasy und Viagra wirkte. Für mich als dreimotorige Wildsau war das Thrash-Vollalarm auf allen Kanälen. Keine Wand hielt meinem Kopf stand, ich kam überall hindurch.

Renewal – 1992

Mitten in der Orientierungsphase des Körper und Kopfes kamen und gingen Bands – Helloween, Exodus, Destruction, Sodom,Tankard, Testament, Megadeth, etc. – und nur wenige blieben über einen längeren Zeitraum, oder bis heute und sind ebenso nicht aus meiner Vita zu löschen – Boltthrower (RIP)! Kreator landete mit seinen bis dahin fünf Scheiben allerdings immer wieder auf dem Plattenspieler, was ich dann in vollen Zügen genoss. Renewal erwischte mich dann aber auf dem falschen Fuß. Was sollte dieser Industrialsound? Okay von Die Krupps hatte ich sogar eine CD, Nine Inch Nails waren auch ein ziemlicher Kracher und Ministry in ihrem Genre einfach nicht zu toppen. Doch mit Kreator hatte das in meiner Welt nichts zu tun. Ich war ganz schön enttäuscht. Die Band, für die ich das erste Glied einer meiner kleinen Finger gegeben hätte, entwickelten sich nicht wie ich mir das wünschte. Lediglich mit den Texten kam ich noch zurecht.

Cause For Conflict – 1995

In der Zwischenzeit blieb ich völlig auf Death Metal und Artverwandten hängen. Gruppen wie Paradise Lost, Obituary, Morbid Angel, Pestilence, Anathema, My Dying Bride, Atrocity, Crematory, Entombed, Grave und immer wieder die oben bereits erwähnten Bolt Thrower waren der Soundtrack, der mich zu der Zeit umtrieb. Kreators neuestes Album Cause For Conflict nahm ich da natürlich noch wahr. Immerhin war und ist das irgendwie ein Bund für’s Leben, doch so richtig mitreißen konnte mich die Scheibe nicht mehr. Und das obwohl sie wieder in Richtung der älteren Sachen ging. Thrashmetal übernahm wieder das Steuer des Kahns der Essener Truppe, bloß eben nicht mehr bei mir. Bzw. war und ist das 1995er-Album von Kreator nicht wirklich so überzeugend, als dass ich damals vor Freude am liebsten aus dem Fenster gesprungen wäre. Ich schätze es war eher ein Blick aus eben welchem, ohne nach zwei Minuten überhaupt zu wissen wieso. Es war passiert, die erste große Liebe war verblasst, wir hatten uns ganz schön weit auseinander gelebt.

Outcast – 1997

Nach meiner ersten großen Musikliebe, die ganz klar der bunten Metalschublade gehörte, wuchs mein Interesse immer mehr an Punk. Klar die Abstürzenden Brieftauben und Die Goldenen Zitronen kannte ich auch Ende der Achtziger schon, aber die waren mir auf Dauer einfach zu witzig, weshalb ich erst jetzt wieder einen Anknüpfungspunkt sah: Politischer Hardcorepunk à la Crass, Aus-Rotten, Oi Polloi, The Restarts, Dead Kennedys, Discharge, Disorder, The Varukers, Subhumans, Fleas and Lice oder MDC.

Sprich Outcast habe ich gar nicht mehr mitbekommen. Auch dieses Re-Release habe ich im Gegensatz zu den drei anderen noch nicht geschafft mir anzuhören. Trotzdem habe ich mir auferlegt das nachzuholen. Einfach auch der alten Liebe wegen möchte ich mal reinhören. Wahrscheinlich aber auch, weil mir das aktuelle Album aus 2017 ans Herz gelegt wurde. Auf Gods Of Violence soll Mille Petrozza nach über 30-jähriger Bandgeschichte den damaligen Geist in die Jetztzeit transportiert haben. Ich bin gespannt und werde mir das Album ganz sicher demnächst kaufen – auf LP mit Downloadcode, is klar!


Info

Alle hier besprochenen Alben erscheinen als (Doppel-)CD in edlem Mediabook inkl. Bonustracks und jeweils mehrseitigem Booklet mit Linernotes von Mille Petrozza. Sie sind auch als Vinyl-Version erhältlich.

Band: Homepage, Facebook

Bocky
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