
Joa, der Februar war dann doch richtig fix vorüber. Denn trotz aller Corona-Beschränkungen kann ich nicht über Langeweile klagen. Eher im Gegenteil.
Politics Not Dancing
Sicher liegt das zum Teil an dem anhaltenden Homeschooling, in dem ich immer mehr zum Lehrer werde, oder meine seit Jahrzehnten gehegten Defizite zum Vorschein kommen. In Mathe konnte ich in Geometrie mein Talent beweisen. Gut, ne 3D-Zeichnung eines Würfels bekommen wahrscheinlich alle noch hin. Aber im Auseinanderhalten von Akkusativ-, Dativ- oder Genetivobjekt war ich noch nie sonderlich gut. Doch gut genug, es mir von meinem zehnjährigen Sohn erklären lassen. Also zumindest klang das ganz schlüssig, was er mir da erzählte. Entweder hat er es wirklich geschnallt, oder er hat sich da was für sich selbst zusammengereimt, dass ich es ihm abnehme. Ehrlich gesagt wüsste ich nicht, dass ich das jemals wirklich in meiner Schullaufbahn gebraucht habe, nachdem das Thema abgehakt war.
In dem Zusammenhang finde ich es aber bemerkenswert, was so alles passiert. Also im Teufelskreis Lockdown-Homeschooling-Homeoffice-Familie, etc. Dabei meine ich auch nicht die tolldreisten Horrorgeschichten aus den Medien, sondern das, was ich im nahen und näheren Umfeld sehe und höre. Da bleibt mir öfter die Spucke weg. U10-Kids, die ein eigenes Smartphone haben und auch unter der Woche bis nach 22 Uhr damit hantieren; Eltern, die nach Wochen nicht wissen, wie das eigentlich mit dem Onlineunterricht funktioniert, stattdessen einen Zehnjährigen völlig alleine damit lassen, weil sie ja selbst arbeiten müssen; oder ein Vater, der am Wochenende entnervt zum Kumpel Saufen geht, während die beiden Kids mit einem gleichaltrigem Gast vor einer mehrteiligen Filmreihe mit Süßigkeiten zum Abendessen und genügend Softdrinks vor Glotze geparkt werden und die Partnerin mit Migräne und Pillen abgeschossen im Bett liegt.
Auch wieder Beispiele, welche merkwürdigen Verhaltensweisen Corona von Personen zutage fördert, von denen man bislang ein anderes Bild hatte. Also wenigstens fast.
Bestätigt sieht man sich immerhin was die Flüchtlingsthematik betrifft. Die leiden, ersaufen oder verrecken einfach bloß jämmerlich und bleiben weiterhin fast gänzlich von der Bildfläche verschwunden. Wer bei der Thematik nicht genug Würgereiz hat, checkt mal die Instagramseite des grünen EU-Abgeordneten Erik Marquardt, das Facebookprofil der Fotografin Alea Horst oder den Artikel bei t-online über ein Frau, die sich kürzlich selbst in Kara Tepe/Moria 2 selbst anzündete. Im großen Strahl kommt der Würfelhusten spätestens, wenn man sich etwas über die derzeit größte Hungersnot im Jemen informiert. Selbst wenn man nur an der Oberfläche kratzt – Welthungerhilfe, Deutschlandfunk, Spiegel –, wird einem da schwindelig und bekommt einen noch besseren Eindruck woher Jello Biafra damals seinen Namen her hat, wenn man die entsprechenden Suchbegriffe bei Google Bilder eingibt – Triggerwarnung!
Dementsprechend wichtig finde ich es wenigstens die lokalen Seebrücken- oder Sicherer-Hafen-Aktionen zu unterstützen. Zumindest hier in Mannheim sind das nämlich nette Leute. Außerdem kommt man vor die Tür und kann sich sozusagen auch offiziell mit mehr als einer Person treffen. Damit schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe und macht sogar noch was Gutes. Dieses Wochenende steht sogar wieder ein landesweiter Aktionstag an, da am 14. März Landtagswahlen sind, weshalb man dieses Thema in die breitere Öffentlichkeit trägt. Eine (unvollständige) Liste wo und wann etwas passiert, findet ihr auf der Seite des Sicheren Hafen BaWü. Vielleicht sieht man sich ja.
No Culture No Hope
Apropos Wahlen, am 14. März stellt sich mir dieses Jahr zum ersten Mal die Frage, ob ich denn nun wählen gehen soll oder nicht, weil in Baden-Württemberg Landtagswahlen anstehen. Doch ehrlich gesagt, nicht wirklich. Denn inwiefern meine einzelne Stimme etwas am Großen und Ganzen ändert, oder ob Wahlen an sich etwas ändern, weil sie sonst verboten wären, darüber zerbreche ich mir schon länger nicht mehr den Kopf. Sicher, meine einzelne Stimme verliert sich absolut in der schieren Masse der Gesamtwähler:innen und ja, es ist wirklich fraglich ob Wahlen grundsätzlich etwas verändern. Doch insbesondere was die Veränderungen betreffen, gehe ich mittlerweile sowieso nicht mehr von revolutionären Umbrüchen aus. Bzw. heutzutage eher als noch vor bspw. fünf oder zehn Jahren. Schaut man sich in subkulturellen Zusammenhängen um, oder wie fix emanzipatorische Gedanken innerhalb linker Kleinstgruppen vorankommen, so ist auch hier das Tempo deutlich mit dem einer Schildkröte zu vergleichen, als mit einem Turmfalken im Spazierflug. In unserem strukturell gefestigten Kapitalismus-Leben, das tief in der gesellschaftlichen DNA verankert ist, dauert das entsprechend lange. Wieso das so ist, obwohl es anders deutlich wünschenswerter wäre, ist klar, steht aber auf einem anderen Blatt.
Na jedenfalls werde ich wählen gehen. Allerdings nicht Die Partei, denn die geben hier in Mannheim ein arg schwaches Bild ab und auch sonst fand ich die nicht zwangsläufig die clevere APPD. Dafür ist sie in meinen Augen oft nicht radikalsatirisch genug. Arbeit ist Scheiße oder Dumm und Glücklich muss man erstmal toppen.
Einer der Gründe weshalb ich wählen gehe ist eindeutig, dass ich wählen gehen kann. In Schland gibt es Unmengen an Themen, die mir so richtig Hardcore gegen den Strich gehen, ja. Doch bin ich froh hierzulande wenigstens die Möglichkeit zu haben, das auch frei äußern zu können. Mittlerweile gibt es immer mehr Länder, auch innerhalb der EU, wo das von Tag zu Tag weniger möglich ist. An der Stelle möchte ich jedoch nicht in stumpfen Patridiotismus verfallen wie man ihn öfter mal antrifft und insbesondere aus der us-amerikanischen Punkrockszene kennt und werde Schland für seine Freiheiten feiern. Sondern ich gehe nicht zuletzt wählen, weil ich mich auch ganz klar gegen die AfD aussprechen möchte. Glücklicherweise gibt es da noch Parteien, die ganz deutlich sagen, dass sie nichts mit denen zu tun haben wollen. In dem Zusammenhang finde ich die neue Doppelspitze der Linken ganz witzig. Wobei das jetzt keine Wahlempfehlung war. Doch Janine Wissler und Susanne Henning-Wellsow sind schon zwei Gute. Die eine wird völlig Banane vom Verfassungsschutz überwacht und der anderen rutscht schonmal ein Blumenstrauß aus der Hand und setzt damit ein politisches Statement.
Wie dem auch sei, Arschbacken zusammenpetzen, aufstehen und grundsätzlich wählen gehen. Und sei es bloß gegen die AfD! Darüber hinaus kann man sich auch noch überlegen, wie man sich in seiner Freizeit einbringen kann. Ne Band gründen oder weiterführen ist da ebenso gut und wichtig wie mal wieder auf ner Demo mitzulatschen, bei nem Fanzine/Blog mitzuschreiben oder andere Veranstaltungen (momentan online) einfach zu besuchen, weil es richtig ist. Ganz krasse Typ:innen kommen so mit den lokalen Aufstehen gegen Rassismus und Seebrücke-Gruppen in Kontakt oder ziehen gleich was ganz eigenes auf. Wer zu Letzterem Ideen, Tipps und Tricks möchte, kann mich da gerne mal anschreiben. Alles in Allem jedenfalls deutlich besser, als den Kopf in den Sand zu stecken, indem man nur noch säuft, kifft oder sich irgendwie anders zugrunde richtet. Denn dann ist das Ziel erreicht – remember Kleine Biere von Daily Terror.
So und bevor es in der Richtung nun völlig ausartet, ziehe ich die Handbremse und schließe noch kurz mit: it’s a duty to resist!
Punk ist das Geilste
Das neue Rauditum kam an und weiß mich gleich schon wieder zu begeistern. Hier mal nur in Kürze, was das 76-seitige A5er teilweise zu bieten hat. Ich hoffe nämlich demnächst eine ausführliche Review dazu schreiben zu können. Bisher gelesen und für gut befunden habe ich die ausführlich 2Tone-Story, das Interview mit Nick von Loaded, der quasi bei mir um die Ecke wohnt, den traurigen Werdegang von Duane Peters und das Gespräch mit Enraged Minority aus Freiburg, die offensichtlich wenig mit den anderen Streetpunkbands vor Ort zu tun haben – interessant. Jetzt freue ich mich unter anderem noch auf Loikaemie, Matzge und zig andere kleine Artikel. Wenn ihr das auch alles und noch mehr möchtet, dann meldet euch bei ugly-rauditum@gmx.de.
Ebenfalls eingetrudelt ist die neue Ausgabe des Plastic Bomb, auf dessen Cover eine isländische Band abgebildet ist. Der Artikel dazu hat bei mir kein Interesse geweckt mich eingehender mit der Band zu beschäftigen. Da ziehen The Baboon Show, Toxoplasma und NOFX bei mehr. Bei letzteren würde mich interessieren, ob die auch in der Ausgabe gelandet wären, wenn vor Redaktionsschluss klar gewesen wäre, wie das Gespräch im Ox ausfiel. Denn wer die Sexismus-Debatte im Netz ein bisschen verfolgte, da flogen etwas die Fetzen. Vor dem Hintergrund war ich auf Chefin Ronjas „Bullshit Bingo“ gespannt. Ich sag mal so, ich weiß was sie meint und gebe ihr in vielen Fällen recht, doch an der Umsetzung hapert es etwas. Aber hey, ich bin ja auch kein begnadeter Kolumnist und schreibe das hier trotzdem! Sei es wie es will: Plastic Bomb auch weiterhin unterstützen!
Musikalisch gefreut habe ich mich über das x-te Lockdown-Lebenszeichen von Los Fastidios. Auch wenn mir die frühen Streetpunkalben besser gefallen, so ist es eben die jahrezehntelange Verbindung, die immer noch steht, obwohl man sich nicht mehr regelmäßig sieht.
Interessant fand ich den Hinweis auf die Saarländer Sidewalk Surfers, weil ich die noch gr nicht kannte. Ganz schön flott und gut und eingängig. Find ich gut und hoffe, dass die mir nach Corona mal live in die Planung passen.
Ähnlich geht es mir mit Kids Insane, deren erstes Album ich ziemlich großartig finde. Die würde ich auch mal so richtig gerne sehen. Bei denen passt nicht nur der Sound auch der einfache Humor ist meins.
Na und zum Schluss sozusagen etwas in eigener Sache. Wer ein bisschen öfter hier ist und den Transfer hinbekommt: Captain Capgras ist ein von uns. Also aus der Polytox-Schreiber-Gemeinde. Schaut’s euch an, ich hatte meinen Spaß und wenn Hass mal wieder einen neuen Sänger suchen, dann sollen sie auch mal bei Marco klopfen.
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