
Man könnte meinen, Feminismus sei gerade ziemlich en vogue. Girl-Power-Blogs schießen wie Pilze aus dem Boden, Instagrammerinnen schreiben sich Empowerment auf die Fahnen und der Otto Normalfacebooker ist schon wieder genervt von all dem Enthusiasmus. Doch da muss Otto nun durch, denn das Thema scheint endlich in der berühmten Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein – die jüngsten Debatten um Emma Watson und Kraftklub sind der beste Beweis.
Frauen, die sich dagegen wehrten, bloß als Objekt wahrgenommen zu werden; Feministinnen, die sich für Gleichberechtigung und Emanzipation einsetzten – sie alle kämpften lange Zeit als Underdogs in einer Blase, die von außen nur belächelt wurde. Die Nutzung von Social-Media-Kanälen hat das grundlegend verändert, denn bei Facebook, Twitter & Co. stehen auch Menschen mit einer unbequemen Haltung in der Regel nicht lange alleine da. Mitstreiter sind schnell gefunden – und das gilt für beide Seiten. Female Empowerment ist daher längst kein Nischenthema mehr. Die Sexismus-Debatte ist Gegenstand der Popkultur geworden und das ist auch gut so.
Hermines Hupen
Seit meiner letzten Girlumne ist einiges passiert. Los ging es Anfang März mit einer Diskussion um Emma Watsons Brüste. Bitte was? Richtig gelesen: Die mittlerweile 27-jährige Schauspielerin, die als Harry Potters beste Freundin Hermine Granger weltbekannt wurde und sich seit Jahren für die Rechte von Mädchen und Frauen engagiert, hatte sich kurz zuvor leicht bekleidet für die Vanity Fair fotografieren lassen. Skandal! Wie kann sie nur?!
Das besagte Foto ist das einzige, das im Rahmen eines Shootings mit dem Titel „Viktorianische Rebellin“ entstanden ist, auf dem sie sich freizügiger zeigt als man es von ihr gewohnt ist. Mit verschränkten Armen lächelt sie in die Kamera. Ihre Schultern und Oberarme sind von einem weißen, grobmaschigen Cape bedeckt. Mittig ist der Ansatz ihrer Brüste zu erkennen. Keine erotische Pose, kein lasziver Blick, keine Nippel. Und dennoch drehten alle durch.
In den folgenden Wochen wurde die einstige Lieblingshexe durchs digitale Dorf getrieben und über die junge UN-Botschafterin brach ein Shitstorm sondergleichen herein. „Feminism, feminism… gender wage gap… why oh why am I not taken seriously… feminism… oh, and here are my tits!“, twitterte die englische Journalistin Julia Hartley-Brewer und demonstrierte auf beeindruckende Weise, dass sie rein gar nichts verstanden hatte. Denn einmal ganz abgesehen davon, dass es bei der Fotostrecke von Tim Walker darum ging, aus Konventionen auszubrechen und von ihren Brüsten im Grunde nicht viel zu sehen war: Geht es beim Feminismus nicht genau darum, selbst über seinen Körper entscheiden zu können? Wo bitte steht geschrieben, dass Feministinnen nicht feminin und sexy sein dürfen? Und warum maßen sich plötzlich irgendwelche Leute an, einer engagierten jungen Frau zu unterstellen, dass sie keine Feministin sei – obwohl sie bereits mehr für die Frauenrechte weltweit getan hat als sie alle zusammen?
Die Antwort ist einfach: Feminismus ist anstrengend, da scheint es das Einfachste zu sein, ihm direkt den Wind aus den Segeln zu nehmen, um sich bloß nicht langfristig mit dem Thema auseinandersetzen zu müssen. „Es gibt so viele Missverständnisse darüber, was Feminismus eigentlich ist“, brachte Emma Watson es nach der digitalen Hexenjagd auf den Punkt. „Es geht darum, dass Frauen die Wahl haben. Feminismus ist kein Stock, mit dem man andere Frauen schlägt, es geht um Freiheit und Befreiung. Was haben meine Brüste damit zu tun?“ Nichts, Emma. Deine Brüste haben einen Scheiß damit zu tun. Also lass dich nicht aus dem Konzept bringen. Keep fighting!
Kommerzielles Slutshaming
„Du verdammte Hure, das ist dein Lied“, hieß es Mitte März dann in der neuen Kraftklub-Single. Die Tatsache, dass diese Songzeile nicht etwa von Bushido oder einem seiner beknackten Gangsterrapper-Kollegen stammt, sondern von den netten Jungs aus Chemnitz, die ich vor einer Weile noch als „Hoffnungsträger der deutschen Popmusik“ betrachtet habe, hat mich irritiert. Ungläubig suchte ich nach der Metaebene, nach einem doppelten Boden in den plumpen Lyrics – doch alles was ich fand, war ein gekränkter Milchbubi, der seinem Liebeskummer nicht anders Ausdruck verleihen konnte, als seine Ex zur „Hure“ zu degradieren.
Na so was habe ich ja gerne. Erst mit der Antifa sympathisieren und dann kommerzielles Slutshaming betreiben. Ähm, geht’s noch? Kaum wurde die erste Kritik an dem Song laut, meldeten sich auch die Busenfeinde von Emma Watson wieder zu Wort: „Gleichberechtigt sein wollen, aber wegen eines Popsongs heulen…“ Klar, wer war nicht schon mal auf 180 nachdem er abserviert wurde und hat dem oder der Ex Pest und Cholera an den Hals gewünscht?
Doch da gibt es ein paar feine Unterschiede. Denn während man sich im Streit Dinge an den Kopf wirft, die man sonst nie sagen würde, entsteht ein Song nicht im Affekt. Felix Kummer hat „Dein Lied“ nicht spontan bei Youtube hochgeladen, nachdem ihm seine Liebste das Herz gebrochen und er fünfzehn Bier geext hat. Dieser Song wurde geschrieben, geprobt, im Studio aufgenommen und abgemischt und schließlich für so marketingwirksam befunden, dass man ihn auswählte, um die neue Platte anzukündigen. Es stört mich nicht, dass er sauer auf die Frau ist, die ihn offenbar betrogen hat – das ist eine Arschlochnummer, daran gibt es nichts zu rütteln. Was mich stört, ist der Begriff „Hure“, denn da haben wir es wieder: Männer können im Zweifel nicht anders und ernten für Untreue sogar noch einen Schulterklopfer, doch Frauen huren herum.
Im deutschen Wortschatz gibt es kein Schimpfwort für einen Mann, das in Sachen Niederträchtigkeit an die Beleidigungen heranreicht, die sich Frauen anhören müssen. Hure, Schlampe, F**** – all diese Worte gehen auf unser Geschlecht zurück und stellen es als etwas Widerwertiges dar. Das Schimpfwort-Gegenstück für den Mann ist dabei noch am ehesten der berühmte Hurensohn – genau genommen eine Beleidigung der Mutter, nicht des Mannes an sich. Aber zurück zum Thema: Warum ich den Kraftklub-Song milde ausgedrückt „unter aller Kanone“ finde, ist die Tatsache, dass er eine Art und Weise über Frauen zu reden salonfähig macht, die ich zum kotzen finde. Mir graut es bereits vor den Chören betrunkener Typen, die auf Festivals in Endlosschleife den Refrain der „verdammten Hure“ grölen.
Ja, wir Frauen bauen genauso oft Scheiße wie Männer und wenn ihr wütend seid, muss das raus. Aber dann gebt uns Tiernamen, nennt uns Arschloch – doch lasst die Hure stecken.
Präsenz zeigen
Ich finde beide Beispiele auf ihre Weise erschreckend, da sie uns vor Augen führen, welcher Weg noch vor uns liegt. Doch auf der anderen Seite hat noch vor wenigen Jahren kein Hahn danach gekräht, wenn Frauen öffentlich beleidigt und auf verschiedene Art degradiert worden sind. Feminismus ist in der Popkultur angekommen und anstatt diese Tatsache als kurzlebigen Trend oder „das neue vegan“ zu belächeln, sollten wir laut mitdiskutieren und ihm eine Plattform bieten. Auf dass wir uns eines Tages auf Augenhöhe begegnen – selbst dann, wenn die Kacke am Dampfen ist und das Totschlagargument „Hure“ eine lästige Auseinandersetzung vorzeitig beenden könnte.
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