Punkrockers-Radio wird 15

Endlich gutes Radio

Wie genau alles begann, 2002 in Braunschweig, dass kann heute niemand mehr sagen. Punks altern ja bekanntlich in Hundejahren und somit ist die einzig beständige Übermittlung, dass sich in der Gamerszene Braunschweigs ein kleiner Haufen Punker zusammenrottete und ein Radio gründeten.

Seit 2009 ist Stefan aka. Wolverine mit dabei und zum 15. Geburtstag hat er uns einige Fragen beantwortet.

Es gibt diesen Song von Love A der sich mitunter über Nachbarn und ihre schlechte Radiomusik beschwert. In meiner Straße, direkt gegenüber, gibt es sie auch. Die Radionachbarpest mit allem was dazu gehört. Disko- und Popmusik den ganzen Tag und das allerschlimmste beim Radio: Werbung, die immer doppelt so laut und scheinbar nur mit den penetrantesten Stimmen funktioniert. Was begeistert dich am Format Radio oder geht es auch darum eine Alternative zu schaffen, zum sonstigen Programm?

Mich begeistert am Radiomachen vor allem, dass es ziemlich einfach ist. Ich brauche genau genommen nicht mehr als einen Rechner und einen Internetzugang und dann kann ich loslegen. Egal, ob ich eine Sendung mit Gästen mache, ein Konzert übertrage oder einfach nur eine Playlist laufen lasse. Das Anliegen ist natürlich auch einen Sound zu machen, der abseits vom Mainstream-Programmen oder auch von Spotify usw. ist. Bei uns zählt definitiv nicht der Bekanntheitsgrad einer Band. Aussortiert wird eigentlich nur, was sich zu sehr nach Proberaum-Handymittschnitt anhört oder inhaltlich bedenklich ist. Bei 25.000 Songs in der Playlist bin ich mir aber nicht sicher, ob jeder Song durch harte Kontrollen der Punkrockpolizei geht.

Hörst du selber Radio und wenn ja, was?

Morgens höre ich manchmal 1Live, weil die die Zeit ansagen und meine Tochter den Sound mag. Manchmal höre ich unser Radio, aber dazu komme ich selten, weil ich vor allem viel Musik höre, die wir von Bands und Labels zugesendet bekommen. Fast alles, was ich in die Playlist lade, habe ich zumindest einmal gehört.

Ihr kommt ohne Werbung aus und seid daher auf Spenden angewiesen. Ist immer genug Geld da um weiter zu machen? Gab es bedrohliche Engpässe in den letzten 15 Jahre, die den Fortbestand gefährdet haben?

Da gabe es einige. Wegen einer fetten Nachzahlung an die GVL, wäre der Betrieb schon mal fast eingestellt worden. Wir brauchen jeden Monat ca. 70 Euro, die durch Spenden reinkommen müssen. Die Moderatoren zahlen jeden Monat einen kleinen Obolus und ab und an spendet mal jemand fünf bis fünfzig Euro. Meist reicht das. In regelmässigen Abständen reicht es mal nicht, dann heulen wir bei Facebook oder sonst wo rum und irgendwer hat sich dann bisher immer erbarmt. Ein bisschen mehr Sicherheit wäre da schon ganz cool, dann könnten wir auch mal ein bisschen in Buttons, Aufkleber usw. investieren. Ich habe schon mal über eine Art Supporterkreis nachgedacht, deren Mitglieder jeden Monat einen bestimmten Betrag spenden und dafür dann mal eine CD und Gästelistenplätze bekommen oder mal eine Stunde das Programm gestalten können. Aber mir fehlt da aktuell die Zeit, das mal richtig zu organisieren.

Wenn man sich euren Sendeplan anguckt, könnte man das Gefühl kriegen, dass du, bis auf wenige Ausnahmen, den Laden moderationstechnisch alleine schmeißt. Wieviele Leute machen noch Sendungen?

Die Zahl der Moderatoren schwankt immer ein bisschen. Regelmäßige moderierte Sendungen sind Pogoradio, Moshtrocity, Wasted Fridays, Die Beste und meine Kellerpunksessions. Dazu kommen unregelmäßige Sendungen, wie z.B. die von Knox, der schon ewige Zeiten dabei ist, aber wegen Schichtdienst nur mehr oder weniger spontan auf Sendung geht. Außerdem gibt es noch wöchentliche Sendungen ohne Moderation. Zu nennen sind da „On Tour“, wo es jeden Sonntag Musik von Bands zu hören gibt, die in der Folgewoche unterwegs sind, „Montagsdemo gegen die Verdummung des Abendlandes“, wo eine Stunde lang Songs gegen Pegida, AFD und andere nationalistische Hohlbirnen laufen. Nicht zu vergessen jeden Samstag „ Auf alles reimt sich saufen, zum Beispiel auf Bier“, eine Sendung für den gepflegten Punk, der sich schon mal auf den Samstagabend einstimmen will. Im Vorlauf zur Festivalsaison haben wir zu einigen Festivals sonntags jeweils eine Stunde Musik der Bands gespielt, die dort auftreten, z.B. zum „Rock am Berg“, zum „Punk Rock Holiday“ oder zum „Back To Future“.

Würdest du sagen, dass ihr nach all den Jahren eingegroovt seid oder ist es ein ständiger Hustle den Betrieb aufrecht zu erhalten? Ihr seid ya quer durch das Land verteilt, wie koordiniert ihr euch?

Abgesehen von den schon angesprochenen, immer mal wieder auftauchenden, finanziellen Problemen, läuft eigentlich alle ganz easy, wenn nicht gerade der Streaming-Server abkackt. Aber das hat der Afri eigentlich ziemlich gut im Griff. Die Koordination des Sendeplans läuft über einen internen Bereich auf der Website. Außerdem haben wir im Forum vom Knox einen eigenen Bereich, über den wir uns austauschen können.

Ich war großer Fan der Sendung Kopfpunk, die es ya mittlerweile nicht mehr gibt. Wenn ich zurückschaue, hat die Sendung auch durch ihre Regelmäßigkeit einen bedeutenden Teil des Programms mitgestaltet und war durchaus beliebt. Hat sich mit dem Weggang von Marko Fellmann viel verändert, wurde eine Lücke gerissen und wie konntet ihr das kompensieren?

Markos Kopfpunk-Sendung war auf jeden Fall eine stabile Größe im Sendeplan. Leider hatte er das Format irgendwann über. Die Lücke, was diesen, eher speziellen Teil des Deutschpunks, angeht ist natürlich immer noch da. Vielleicht kommt er ja irgendwann mit einem anderen Format zurück. Wir freuen uns natürlich auch immer neue Leute, die Interesse haben, regelmäßig was bei uns zu machen. Wobei regelmäßig auch alle drei Monate sein kann.

Versuch doch Mal zu umreißen wie viel Aufwand eigentlich dazu gehört Internetradio zu machen. Hast du überhaupt Zeit für andere Dinge? Was begeistert dich neben Punkrockers-Radio?

Da ich das Radio vor acht Jahren als mein Hobby für mich entdeckt habe, stecke ich da auch recht viel Zeit rein. Zwei Stunden pro Tag kommen da im Schnitt sicher zusammen. Meine Sendungen nehmen dabei am wenigsten Zeit in Anspruch. Ich kümmere mich halt vor allem um das ganze Drumherum, wie Kontakte zu Labels und Bands oder so Dinge wie Facebook vollschreiben und die Playlist mit neuer Musik bestücken. Ansonsten versuche ich einmal die Woche auf ein Konzert zu gehen. Mein „Ramoetry“-Projekt, bei dem Musiker Texte der Ramones lesen, ist definitiv auch ein Projekt, dass mich begeistert und das Punk-Filmfest, dass ich dieses Jahr zum dritten mal in Bochum veranstalte. Insgesamt ist meine Freizeit also schon ziemlich Punklastig, haha.

Neben den großen und etablierten Punkbands bietet ihr auch unbekannten, kleinen Bands viel Raum und sorgt dafür, dass auch DIY-Bands Gehör finden. Gibt es für dich auch immer wieder neues zu entdecken und was sagst du eigentlich zur heutigen Musiklandschaft und wie würdest du die Entwicklung der Szene von den Anfängen bis heute beschreiben?

Es gibt jeden Tag neue super Bands zu entdecken. Das Netz ist voll davon. Und Punkrockers-Radio soll für punkbegeisterte Menschen eine Quelle sein, diese zu entdecken. Das Internet hat die Entwicklung der letzten Jahre auf jeden Fall massiv beeinflusst. Früher kam Input von den Kollegen, aus Plattenläden oder von Fanzines, die Kanäle waren insgesamt sehr begrenzt. Heute kann jede Band ihre Musik theoretisch überall auf der Welt zu Gehör bringen, was dazu führt, dass bedeutend mehr Songs verfügbar sind. Die Zeit zum Hören ist aber nicht mehr geworden. Ich glaube, dass die Leute heute zwar mehr verschiedene Bands hören aber sich bedingt durch Spotify und vergleichbare Dienste weniger mit den einzelnen Bands auseinander setzen und diese im Zweifelsfall gar nicht kennen. Bekannt ist dann vielleicht eher der Name der Playlist oder des Menschen, der sie zusammengestellt hat. Das führt dann teilweise auch dazu, dass die Leute weniger auf Konzerte gehen, weil sie sich weniger mit einer Band identifizieren als das vor Jahren noch der Fall war.

Welche Bands kannst du aktuell empfehlen?

Wenn es um Livebands geht, kann ich immer wieder Get Dead, Jaya The Cat und die famosen The Baboon Show empfehlen. Alle drei Bands sind live immer eine Bank. Slow Faction und Darko aus England finde ich aktuell spitze und wenn es um deutschsprachigen Punk geht, kann ich auf jeden Fall Missstand, Loser Youth, The Grabøwskis und 1000 Löwen unter Feinden empfehlen.

Ihr habt regelmässig Gäste in der Sendung und seid immer nah dran an den Bands, ob jung oder alt. Lass mal ordentlich Gossip hören. Welche Interviewpartner sind die schlimmsten und welche die angenehmsten? Was war dein schönsten Erlebnis in den 15 Jahren Punkrockers-Radio und was dein schlimmstes?

In meinen Sendungen geht es darum, zwei Stunden lang mit netten Leuten Musik zu hören, darüber zu quatschen und dabei das eine oder andere Bier zu trinken. Dabei stelle ich auch immer mal Fragen zur Band, aber die sind nicht vorbereitet, sondern ergeben sich. Manchmal auch nicht, dann müssen sich die Gäste halt gegenseitig Fragen stellen oder irgendwem fällt was ein. Angenehm ist es immer dann, wenn die Gäste Bock haben und sich auf die lockere Atmosphäre einlassen können. Schwierig wird es, wenn sich Bands von einem Besuch bei Punkrockers-Radio erhoffen, dass ihr Bekanntheitsgrad steigt und sie das alles ganz ernst nehmen. Das ist aber eher selten der Fall. Die meisten Bands, die mich bislang besucht haben wissen scheinbar, dass mit Punkrock kein Geld zu verdienen ist und stellen den Spaß in den Vordergrund. Schöne Erlebnisse hatte ich in den letzten Jahren ziemlich viele. Sowohl in Sendungen mit Gästen als auch bei Interviews. Ein sehr angenehmes Interview mit CJ Ramone, die „Anarchie aus der Parzelle“-Sendungen aus meinem Schrebergarten, eine Dreiminütige Sendung aus einem fahrenden Bus“ und natürlich die Interviews und Sendungen vom Punk Rock Holiday gehören sicherlich zu meinen Highlights. Die weniger guten Erlebnisse habe ich mit Hilfe von Bier aus meinem Gedächtnis gelöscht.

Möchtest du manchmal einfach hinschmeißen oder hast du immer noch Elan zum weitermachen? Was treibt dich heute an?

Hinschmeißen definitiv nicht. Dafür macht es einfach zu viel Bock. Die viele gute Musik und die vielen netten Menschen sind auf jeden Fall großer Antrieb. Es freut mich natürlich auch immer, wenn positive Reaktionen kommen, weil tatsächlich Leute die Sendungen hören, oder auf Konzerten waren, die wir empfohlen haben.

Am 22. September gibt`s das große 15 Jahre Punkrockers-Radio Festival. Was können die Leute neben den Livebands erwarten? Verrätst du uns ob irgendwelche specials geplant sind oder seid ihr da völlig unaufgeregt nach dem Motto Bier und Mucke muss reichen?

Wir haben mit Antillectual, The Sewer Rats, Skin Of Tears, So What und Brutale Gruppe 5000 hervoragende Bands am Start, die Bock haben zu spielen. Bier steht kalt. Die Voraussetzungen für eine gute Party sind damit also schon mal gegeben. Wir verzichten daher auf Specials. Über eine Tombola hatte ich mal nachgedacht, die fällt aber in Ermangelung an Zeit für die Vorbereitung einfach aus.

Wie läuft der Vorverkauf und wie viele Leute erwartet ihr?

Punkkonzerte laufen im Vorverkauf meiner Meinung nach nur bei richtig dicken Bands. Ansonsten entscheiden die Leute gerne mal spontan, ob sie überhaupt vor die Tür gehen und wenn ja, wohin. Da zahlen sie dann lieber zwei Euro mehr an der Abendkasse. Ich hoffe, dass 150 Leute den Weg in die Rotunde nach Bochum schaffen. Weniger wäre schade, denn dafür ist das Lineup einfach zu gut.

Wage doch mal einen Blick in die Zukunft für uns. Was gibt es für Pläne für neue Formate oder Sendungen? Nochmal 15 Jahre, Auflösung und brennende Reunion wie es sich für Punkgrößen gehört oder läuft die alte Dampflok Punkrockers-Radio einfach langsam und stetig ihren Weg wie bisher?

Konkrete Pläne gibt es nicht. Möglicherweise hört irgendwann einfach niemand mehr zu. Möglicherweise kommt es auch genau andersrum, weil jeder immer und überall im Netz ist und uns dadurch jederzeit hören kann. Vielleicht vererbt uns ein zu Geld gekommener Altpunk eine Millionen Euro und wir können uns ein eigenes Studio bauen. Bis dahin machen wir erst einmal so weiter wie bisher.

Vielen Dank für deine Zeit, Stefan. Wir wünschen alles Gute und sagen, Prost. Auf die nächsten 15 Jahre.

Dankeeee!


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