Punkrock Review Rundlauf

Punkrock

Punkrock Reviews

Sorry an alle, die mir Platten zu reviewen geschickt haben und bislang vergeblich auf eine Rezension gewartet haben. Ich komme einfach nicht mehr hinterher. Und meine Motivation über Musik zu schreiben, ist auch nicht mehr dieselbe wie noch vor einigen Jahren. Meine Prioritäten haben sich verschoben. Deshalb dauert es mittlerweile einfach etwas länger. Sorry. Aber genug gejammert, Zeit für ein paar Reviews.

100 Kilo Herz – Stadt, Land, Flucht

Preisfrage: Die Band benannt nach einem Muff-Potter-Song, das neue Album benannt nach einer Muff-Potter-Textzeile. Wie klingt die Musik? Nach Feine Sahne Fischfilet und Rantanplan. Na, verwundert? Ich bin es ein klein wenig. Zwar ist mir der Name der Band geläufig, seit rund zwei Jahren werden sie mir immer mal wieder in die Timeline gespült, wirklich Notiz davon genommen, hatte ich bislang allerdings nicht. 

Also poppiger Trompeten-Punk mit Mitgröhlrefrains statt rockigem Emo-Punk mit Mitgröhlrefrains. An Letzterem habe ich dank der unzähligen Copycats tot gehört, für Ersteres kann ich mich nur selten begeistern. Schlechte Startvoraussetzungen für 100 KILO HERZ. Doch 100 Kilo Herz machen ihre Sache nicht schlecht. Die Musik ist gefällig, nervt nicht, ist Open-Air-kompatibel und transportiert klare linke Positionen auch außerhalb des reinen Punkkosmos. Das “Stadt, Land, Flucht” auf Platz 19 der deutschen Albumcharts eingestiegen ist, freut mich für die Band.  

Kommando Marlies – Eskalation ja klar

Ich höre mir jetzt mal lieber KOMMANDO MARLIES an. Das ist die neue Band von Uwe Umbruch. Der hat früher mal bei den Public Toys und The Revolvers Gitarre gespielt und gesungen. Beide Bands fand ich super, vor allem wegen des Gesangs. Uwe Umbruch ist einer der wenigen Sänger in Deutschland, die es schaffen, mit ihrer Stimme und Art des Gesangs einer Band einen unverkennbaren Sound zu verpassen. Selbst die schwächeren Nachfolgebands wie Hiroshima Mon Amour höre ich mir deshalb bisweilen mit Freude an. Diese Mischung aus Rotz, Aggressivität, Verletzlichkeit und Melodiösität begeistert mich bis heute. Jetzt haben Kommando Marlies ihr Debütalbum “Eskalation ja klar” veröffentlicht. Großartiger Deutschpunk für Altpunks, die die gröbsten Dummheiten hinter sich haben, mit einem Bein in einem irgendwie geregelten Leben stehen und nach dem sechsten Bier über alte Zeiten reden und trotzig ihr “Young till I die”-Tattoo zeigen. Da ich mich dieser Altersgruppe immer mehr verbunden fühle, gefällt mir “Eskalation ja klar” richtig gut. Punkrock, der keine Angst hat auch einmal über den Tellerrand zu blicken, dazu Texte, die nicht die Weltrevolution beschwören, sondern die kleinen Kämpfe des Alltags behandeln. Ein bisschen so wie bei Kumpelbasis. Kurzum: Tolles Album, tolle Band, die ich nach Corona hoffentlich mal live erleben kann.

DxBxSx – Die CD

Schon einmal live erlebt und für gut empfunden, habe ich DxBxSx. Die haben dieses Jahr mit “Die CD” ein neues Album veröffentlicht. Das knüpft nahtlos an ihren Vorgänger “Wer will denn das” an, soll heißen: rauer Stonerpunkrock mit  angepissten Texten. Ich mag den rohen und direkten Sound von DxBxSx. Ich mag die Texte. Ich mag “Das Alles”, “Der Qualm”, “Der Mittelstand”, besonders “Die Leute”, kurzum: ich mag “Die CD”. Tolle Band, tolles Album.

Kettenfett – Raumpatrouille Kettenfett

Gleiches gilt für KETTENFETT. Das ist nicht nur ein Latritzlikör, sondern auch eine Zweiercombo aus Hannover, die Stonerpunk spielt. Doch wo DxBxSx mehr zum Agitrock tendieren, glänzen Kettenfett auf ihrem neuen Album “Raumpatrouille Kettenfett” mehr mit der Raubein-mit-Charme-Attitüde und Dem-Volk-aufs-Maul-geschaut-Gesellschaftskritik. Lieder über Kleinbürger und deren Verklärung des kapitalistischen Arbeitszwangs und den damit verbundenen Neurosen, zeugen von einer guten Beobachtungsgabe. Die Texte sind direkt, manchmal mit dem “Holzhammer” geschrieben, und trotzdem eine große Freude beim Hören. Dazu scheinen sich die beiden Herren selbst nicht allzu ernst zu nehmen, was bei mir immer zu Sympathiepunkten führt. Tolle Scheibe, die aus dem sonstigen Punkrock-Einerlei heraussticht und ihr eigenes Ding zu machen versucht. Darauf einen Kettenfett! 

Detlef – Supervision

Raider heißt schon seit vielen Jahren Twix, wie wir heute wissen: geändert hat sich nichts. Zum Glück, denn noch immer ist Raider/Twix mein Lieblingsschokoriegel. Im Grunde genommen kann man genau das auch über DETLEF sagen, dem offiziellen Nachfolger von Supernichts. Armin und Frank hassen auch mit ihrer gar nicht mehr so neuen Combo so sympathisch und unterhaltsam wie sonst niemand in Deutschland. Die haben mit “Supervision” ein neues Album veröffentlicht und wie jedes Album davor (sowohl als DETLEF als auch Supernichts) ist es super geworden und gehört in jede ordentliche Plattensammlung. “Supervision” enthält 19 neue Lieder über die großen und kleinen Nöte des Alltags, die sich mit Alkohol besser ertragen lassen. Oder anders ausgedrückt: “Man muss fallen, wenn die Feste sind.” 

Bazooka Zirkus – Ach, das könnte schön sein

Ein Fest ist die neue Scheibe von Bazooka Zirkus. Sieben Jahre nach dem grandiosen Album “Der Gang vor die Hunde” ist vorigen September das neue Album “Ach, das könnte schön sein!” erschienen. Und – Achtung, jetzt kommt eine typische Rezensentenfloskel – die Neuwieder machen da weiter, wo sie aufgehört haben. Im Fall von Bazooka Zirkus passt es aber, obwohl sieben Jahre zwischen den beiden Alben liegen. Musikalisch wird noch immer abwechslungsreicher HC-Punk geboten und textlich keine Gefangenen gemacht, ohne dabei – sowohl musikalisch als auch textlich – stumpf zu sein. Kurzum, Bazooka Zirkus melden sich eindrucksvoll zurück und wissen auf ganzer Linie zu gefallen und haben mit “Ach, das könnte schön sein!” eines besten Alben 2020 veröffentlicht. 

Dead Koys – Resting Places

Ein tolles Album haben auch die Dead Koys veröffentlicht. “Resting Places” heißt es und ist seit Ende März bei jedem guten Plattendealer erhältlich. Die Musik lässt sich am besten als rauer Emocore bezeichnen, der in die Richtung von Bands wie As Friends Rust oder Title Fight geht. Die zehn Lieder sind schnörkellos, trotz Geschwindigkeit und Härte, melodisch und machen einfach Laune. Für die zehn Lieder brauchen die fünf Dortmunder nicht einmal 30 Minuten. Dazu kommt die gelungene Aufmachung. Das Vinyl kommt im transparent-violetten Vinyl, die Texte sind gemeinsam auf einem Poster mit der Bilderserie “Brücken der Zeit” von Ricardo Nunes abgedruckt. Schönes Album!

Dictator Ship – Your Favorites

Weit von einem Spitzenplatz in meinem persönlichen Ranking entfernt, sind leider DICTATOR SHIP aus Schweden, die mit “Your Favorites” voriges Jahr ein neues Album veröffentlicht hatten. Dabei gefällt mir das musikalisch sogar ganz gut. Sehr simpler, primitiver Rock’n’Roll, der ein wenig danach klingt, als ob MC5 versuchen würden wie The Sonics zu klingen. Leider macht der Gesang alles kaputt. Der passt irgendwie nicht zur Musik. Schade.

Lucifer Star Machine – The Devil’s Breath

LUCIFER STAR MACHINE machen ihre Sache etwas besser, klingen sie auf ihrem neuen Album “The Devil’s Breath” wie eine rotzige Variante der frühen Backyard Babies. Wem das gefällt, sollte hier mal reinhören.

Broadway Calls – Sad in the City

Die seit 2005 aktiven, mir bislang aber unbekannten BROADWAY CALLS haben mit “Sad in the City” 2020 auch ein neues Album veröffentlicht. Der melancholische Pop-Punk gefällt mir gut, erinnert mich ein bisschen an Alkaline Trio, gleicht dann aber auf Dauer doch zu sehr den anderen unzähligen Bands des Genres, um länger in Erinnerung zu bleiben.

Der Moderne Man – Unmodern

Vermutlich schon längst wieder ausverkauft, aber trotzdem nicht unerwähnt lassen, möchte ich die Wiederveröffentlichung der “Unmodern”-LP von DER MODERNE MAN, die Rockers Records aus Hannover schon 2019 aufgelegt haben (Mea Culpa). Im Original 1982 erschienen, klingt die zweite LP der Hannoveraner Band einerseits zeitlos, aber trotzdem wie ein Kind ihrer Zeit. Die bleierne Schwere der späten 1970er-Jahre waren noch zu spüren, doch langsam lichtet sich der Grauschleier, ein Horizont wird erkennbar. Mir gefällt “Unmodern” sogar noch ein bisschen besser als “80 Tage auf See”. Der Sound ist verspielter, mehr Funk und Wave als der Vorgänger, die Texte immer noch dada, ein Abbild ihrer Zeit. Klassiker-Album!

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Falk Fatal
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