
René Seim ist nicht nur seit vielen Jahren als Musiker, Label-Betreiber oder DJ in der musikalischen Subkultur engagiert, sondern betätigt sich auch Lyriker und Schriftsteller. “Fliegende Fenster” ist sein, wenn ich richtig gezählt habe, viertes Buch. Nachdem “Bunte Hunde, wilde Vögel”, “Bunte Hunde, wilde Vögel, Teil 2, schiefe Schafe” und “Spielereien einer vielschrötigen Flöte” Gedichte enthielten, schaut Seim in “Fliegende Fenster” dem “Volk aufs Maul”.
René Seim geht der Banalität menschlicher Kommunikation auf den Grund
Insgesamt 68 Kurzgeschichten und Szenen enthält das knapp 140-seitige Hardcover, wobei es fast nur um Szenen sind, die das Buch enthält. Meist handelt es sich um kurze Dialoge, manchmal nur wenige Zeilen lang, die Seim scheinbar im Vorbeigehen und zufällig beim Blick ins fliegende Fenster aufschnappt. Der Leser wird direkt, ohne Einleitung, ohne Setting unvermittelt in den Dialog geworfen. Es gibt keine Erklärung, keine Vorgeschichten, keine Charakterisierungen: es gibt nur die Dialoge zwischen meist zwei Personen und dem, was sie in diesen preisgeben. Die Dialoge sind wie Menschen und ihre Kommunikation sind: banal, abstrus, erschreckend, langweilig, witzig und unterhaltsam, überraschend, erschreckend, Angst einflößend und lächerlich. Seim zeigt die Banalität des Lebens in einer satten Industrienation und nutzt seine dichterische Freiheit, diese ins absurde zu steigern. Manchmal ein bisschen wie bei Beckett’s “Endspiel”.
Bei 68 Dialogen und Szenen ist es klar, das auch welche gibt, die weniger gefallen. Aber in Gänze betrachtet ist das gar nicht schlimm, sondern bestätigen sie nur die gelungenen Dialoge; die, die sprachlos zurücklassen oder bei denen das Lachen im Hals krepiert, und zeigen die ganze Palette menschlicher Interaktion. Und das gelingt Seim sehr gut.
Info

René Seim – Fliegende Fenster
ISBN 978-3-00-058066-6
- Polytox Podcast Folge 120 – Fight Night - 18. Juli 2023
- Tapes Tapes Tapes - 28. September 2022
- Brot #7 - 26. September 2022
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