TRACK – DER TÄTOWIERER UNTER DEN 187ern

Track redet Tacheles

Foto: Hanna Heider

Keine Rap-Combo spaltet Musik-Deutschland aktuell so extrem wie die 187 Strassenbande. Die einen hassen sie, die anderen lieben sie. So ist das eben mit Erfolg. Wiedererwarten für viele, mussten sich auch die Bad Boys aus Hamburg für ihre Karriere ziemlich den Allerwertesten aufreißen. Wenn man jetzt nicht gerade der totale Die Hard Fan ist, weiß man vielleicht auch nicht, dass es die Jungs schon ein paar Tage länger gibt als „Ahnma“ und „Palmen aus Plastik“. Genau genommen seit über 10 Jahren. 10 Jahre Freundschaft, Scheiße bauen, Musik und Grafitti. Eine Kunstform die alle von Anfang an verbindet. Daher liegt es nahe, dass diese für einen von ihnen zur Berufung geworden ist.

Die Rede ist von Track, der mir im Backstage-Bereich der Berliner Columbiahalle gegenüber sitzt und zugegeben etwas geschafft wirkt. Was daran liegen könnte, dass er ein Mensch ist der sich wenig Pausen gönnt und neben 6-7 Tage die Woche arbeiten auch noch diverse Sachen auf Tour koordiniert. Früher hat er neben seiner Passion fürs Sprühen auch die Videos für Bonez und Co. gedreht, heute ist er der Haus und Hof Tätowierer von 187. Im letzten Jahr nutzten die Jungs die Erfolgswelle und schufen sich ihre eigene Hombase; das 187 Ink. Es vereint Tattoostudio, Merchandise-Shop und Lager.

Foto: Hanna Heider

Doch wie kommt die Farbe von der Wand unter die Haut und warum? „Als kleiner Junge habe ich mir schon mit Kugelschreiber die Hände vollgemalt und irgendwann kam es einfach dazu. Ich hab gesehen was die anderen Sprüher, die ich noch von früher kenne so machen und so viele Sparten gibt es in dem Bereich nicht um damit Geld zu verdienen. Airbrush oder Maler und Lackierer waren mir zu stumpf. Da kann man sich kreativ nicht wirklich ausleben. Ich hab von Anfang an viele Schriftzüge für 187 gemacht, die sich die Jungs haben tätowieren lassen. Oder auch Cover wie zum Beispiel für die EP „Auf Teufel komm raus“ von Kontra K und Bonez.“

 WIE HEIßT DIE SCHRIFTART UND WO KANN ICH DIE RUNTERLADEN?

Umgekehrt möchte Track am liebsten seinen eigenen Style tätowieren. Den er liebevoll „Tracksans“ nennt, wenn er mal wieder gefragt wird, welche Schriftart aus dem Internet er denn benutze. „Einfach um den Leuten bewusst zu machen, dass man sich mit Füller und Butterbrotpapier hinsetzt und die Schrift selbst entwirft und das Ganze dann auch noch so auf die Haut bringt, dass es perfekt zur Körperstelle passt. Das checken halt viele nicht. Weil die meisten in ihrer Kreativität so eingeschränkt sind, dass sie einfach nur fragen wie heißt die Schriftart und wo kann ich sie mir runterladen.“ Fragen wie diese bringen den 32 jährigen des Öfteren an den Rand des Wahnsinns.

WO FÄNGT DIENSTLEISTUNG AN UND WO HÖRT KREATIVITÄT AUF?

„Wir wollen nicht alles um jeden Preis machen. Jeden der zu mir kommt mit einer Skizze von jemand anderem und das so ähnlich haben will, frage ich warum er nicht zum Orginalkünstler geht? Dauert den meisten dann zu lange bis sie bei dem einen Termin bekommen. So läuft es aber nunmal nicht. Entweder du verstehst was wir tun oder nicht. Dann versteh ich dich halt auch nicht und bin kein Dienstleister mehr. So jemanden muss ich als Kunden nicht haben.

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DIE EDELHURE UNTER DEN TÄTOWIERERN

Wenn wir es mal mit Prostitution vergleichen bin ich eher eine Edelhure die sich ihre Kunden aussucht. Natürlich kommen die Leute zu mir und wollen etwas, aber dazwischen ist immer noch der Job des Illustrators gefragt. Der es aus deinem Kopf zu Papier bringt um es dann Realität werden zu lassen. Dementsprechend mach ich oft Skizzen die von den Leuten abgefeiert werden und diese als Shirt oder Tattoo wollen. Andererseits kommen Leute die hätten eben gern einen Anker oder ein Unendlichkeitszeichen. Wer mich noch nicht kennt, lernt mich dann kennen. Ich hatte da ein Mädchen mit ihrem Bruder, sie ist grad 18 geworden und wollte seinen Termin nutzen, um sich auch eins stechen zu lassen. Ich hab da grundsätzlich nichts gegen. Aber dann kommt sie mir mit einem Kompass. Was grundsätzlich ein schönes Motiv ist, oft für Leute die nicht wissen wohin der Weg geht. Aber dieses Tattoo was du jetzt gerne willst, wollen mit Sicherheit genau in diesem Moment 200 andere Menschen so oder so ähnlich auch. Dann frage ich, wie wäre es wenn wir etwas Eigenes machen? Man bedenke, im Umkreis von uns sind ca. 17 andere Tattoostudios, soll heißen irgendjemand würde ihr das natürlich so machen. Ich habe ihr den Namen ihres Bruders auf den Oberschenkel tätowiert womit ich im Endeffekt zwar nicht das Rad neu erfunden habe, es ist trotzdem etwas Individuelles ist. Dann hab ich den Bruder tätowiert der tatsächlich einen Anker wollte und das Spiel ging von vorn los. Er bekam am Ende den Namen seiner Schwester inklusive Familienwappen. Als ich fertig war, stand vorne schon der nächste Kunde im Laden, der einen Anker wollte und die beiden anderen waren mir total dankbar. Dafür das ich ein Typ bin der die Schnauze aufmacht. Und diese Passion, Leute zum Nachdenken zu bringen macht mich stolz und mein Kopf ist einfach befreiter. Ich mache diesen Job eben nicht nur wegen der Kohle.

EINE TÄTOWIERUNG SOLLTE ETWAS EHRLICHES SEIN

„Wenn du deine Oma wirklich geliebt hast, dann lass dir ihren Namen tätowieren. Aber fahr nicht diesen Mitleidsfilm, nur damit dich jeder drauf anspricht. Ich kenne Leute die haben den Namen ihrer Tochter in riesengroßen Lettern unter der Haut um es jedem zu zeigen, und kümmern sich einen Scheißdreck um ihr Kind. Ich erwarte auch von Kunden die einen arabischen Schriftzug wollen, mir zu sagen was das heißt. Ich muss denen auch vertrauen und will die Beweggründe einer Tätowierung kennen. Hinter jedem Tattoo steckt eine Geschichte. Es kann natürlich auch eine Geschichte hinter einem Anker stehen. Ich hab mittlerweile auch genug verbal auf die Fresse bekommen weil ich mich weigere tausend Anker und Unendlichkeitszeichen zu stechen. Aber die haben halt meinen Film nicht verstanden. Ich hab kein Problem damit wenn jemand „Fuck Cops“ auf die Hand will und einen Anker dazu um es zu untermalen. Ey digga, kein Thema. Die meisten verstehen das halt nicht und sind einfach beratungsresistent“.

ICH HABE MEIN VERSPRECHEN NIE GEBROCHEN

Track ist im Übrigen auch einer der Tattoo-Künstler der sich weder um Fame oder generell die Tattooszene schert. Er selbst ist immer noch untätowiert. „Für mich waren Tattoos Nebensache vor allem im Hip Hop Bereich. Bushido, Azad und all die Leute die anfingen sich krass tätowieren zu lassen und es ernst meinten, brachen damals wirklich noch Tabus. Als ich überlegte mich tätowieren zu lassen ging gerade die Tribalzeit los. Aber dann habe ich meinem Opa versprochen mich nicht tätowieren zu lassen. Was ich auch gar nicht schlimm fand. Er wollte, dass ich eine solide Ausbildung mache. Ich wusste zwar das daraus nichts wird, habe mein Versprechen trotzdem nie gebrochen. Er hatte da den Bezug zu meinem Vater der Maler war. Für meinen Opa war das alles brotlose Kunst. Er kam aus dem 2. Weltkrieg und hat bei null angefangen. Da hatten Tattoos auch noch eine ganz andere Bewandtnis.“

Foto: Hanna Heider

Vor allem muss sich Track als „Reinhäuter“ in dem Business oft mit völlig unbegründeten Vorurteilen rumschlagen. „Du bist ne Pussy und hast Angst vor den Schmerzen etc. oder wie kann jemand tätowieren und selbst nicht tätowiert sein. Ich hab letztens irgend so eine Cover up Show gesehen wo ein Typ gar nicht glauben konnte, dass jemand von einem untätowierten was gestochen bekommt. Das wäre ja als würde man sein Auto beim Mechaniker abgeben der selbst kein Auto hat. Was hat das damit zu tun? Es gibt genug die tätowiert sind und nicht wissen wie die Nadel eingestellt wird oder denen es scheißegal ist was für Schmerzen du hast oder kein einziges Mal fragen wie es dir dabei geht. Ich frag lieber zehn Mal nach und nerve die Leute richtig, statt einfach nur abzuarbeiten. Ich bin in meinem Kopf einfach noch nicht soweit dieses Versprechen meinem Großvater gegenüber aufzulösen. Vor einiger Zeit lag der derjenige der mich zum Tätowieren gebracht hat im Koma. Wenn er gestorben wäre, dann hätte ich es mir definitiv überlegt. Das würde für mich diesen Kreislauf brechen. Ihm habe ich mein erstes Tattoo gestochen und würde so ein Denkmal zu setzen. Aber es ist nicht passiert. Zum Glück.“

Ganz ausschließen würde er es trotz allem nicht. Fest steht, dass in der 187 Strassenbande jeder seine Daseinsberechtigung hat. Sei es Rapper, Sprayer oder Tätowierer. Alles ist von Wert in dieser „Aktiengesellschaft“ wie es Track mit einem Augenzwinkern bezeichnet. Loyalität steht für die Jungs an erster Stelle und vielleicht ist das auch das Erfolgsgeheimnis. Was für die meisten zusammengecasteten Bands oft ein Fremdwort ist, ist für einen 187er selbstverständlich. Geld und Erfolg werden dieses Bündnis vermutlich auch so schnell nicht trennen können.

 

Vic Voltage
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