Wanda Records – Files #99 – #103

4x Deluxe-Punkrock kompakt

Vorweg ein dickes Dankeschön, Lob und Eierschaukeln an Wanda Records Labelboss Monster, der nach wie vor mit todschickem Vinyl bemustert. Du bist einer der richtig Guten!

Bevor es dann gleich in die Kritiken geht, möchte ich noch flugs das Mysterium aufklären, warum die Akten fünf Nummern beinhalten, aber bloß vier Alben besprochen werden. #100 gibt es einfach nicht! Ohne in Naumburg nachgehakt zu haben, gehe ich mal davon aus, dass der werte Herr sich da was ganz besonderes hat einfallen lassen und darum dieses Aktenzeichen noch nicht vergeben hat.

Guitar Gangsters – Sex & Money – #99

Bei den in die Jahre gekommenen Briten hat sich an der Musikformel seit ihren Anfängen in den späten Achtzigern nichts geändert. Dem Namen treu bleibend, überwiegt auch auf Sex & Money die grundsolide Gitarrenarbeit auf dessen Gerüst sich diesmal ein Dutzend neuer Lieder aufbaut. Wobei „The Sound Of Silence“ aus der Feder von Paul Simon stammt. Also einem Teil des Folk-Rock-Hippie-Duos „Simon und Furunkel“. Glücklicherweise hat aber die Guitar-Gangsters-Version ebenso wenig Blumen im Haar, wie die anderen elf Songs. Sie bewegen sich in verschiedenen Geschwindigkeiten stabil bis an das Ende der B-Seite.

Dabei bietet „Sex & Money“ wenig Spitzen. Weder nach unten, noch nach oben. Es macht den Eindruck, dass dies dem Insel-Trio sehr entgegen kommt. Trotzdem soll nicht der Eindruck entstehen, dass das Album ein lahmer Scheiß ist. Denn das ist es nicht. Stattdessen wie bereits erwähnt eben überaus zuverlässig und so, wie man verschiedene Scheiben vieler älteren Truppen kennt. Der Basissound ist wohl bekannt und die Stimme etwas ins Alter gekommen. Musikalisch ist es rockiger als noch vor einem Jahrzehnt und die Pubrock-Sozialisation lässt sich nicht wegdiskutieren. Damit reihen sich Guitar Gangsters Ende 2017 in die Riege älterer Bands ein, die sich mit ihrem Spätwerk auf jeden Fall sehen lassen können.

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CH3 – Put ‚Em UP – #101

Bei den Amis verhält es sich ähnlich wie bei den Guitar Gangsters. Auch sie sind in die Jahre gekommen, auch sie verfolgen den Sound, den sie in den letzten Jahrzehnten seit ihrem Debüt 1981 auf „Posh Boy“ mit einer 5-Track-EP gegeben haben. Klassischer SoCal-Punkrock, nur heute mit weniger, oder eher gesagt keinen Überraschungen. Wer ausschließlich auf neueren heißen Scheiß steht, liest direkt bei der nächsten Kritik weiteren. Allerdings bin ich mir sicher, dass es auch genügend Leser gibt, die genauso ticken wie ich. Nämlich durchaus mit einwandfreien Alben von Combos zurecht kommen, die sich manchmal fragen wie man auf so viele Lenze kommt, ohne es zu bemerken.

Tadellos darf man dabei durchaus auch das sehr an The Clash angelehnte Titellied Put ‚Em Up erwähnen, zum dem es hier den passenden Clip gibt. Wie angesprochen gilt das Adjektiv für insgesamt alle Lieder dieser Scheibe. Insgesamt erfreulich ist die Mixtur zwischen treibendem Punkrock sowie traditionellem Rock, mit dem gewissen Etwas. Mit dieser Art von Abwechslung bleibt man dann auch gerne bis zum Schluss dabei, ohne dabei gedanklich wegzukippen. So ist „Put ‚Em Up“ kein Meilenstein der Musikgeschichte, aber ich denke das erwartet auch niemand mehr von CH3. Stattdessen eine LP alter Recken, die sich vor einem Großteil jüngerer Bands nicht verstecken muss.

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 Botox Rats – Nasty Business

Zum Glück gibt es seit Jahren diese bombastische Allianz zwischen dem Londoner Label No Front Teeth und Wanda Records hierzulande. Denn so tauschen die zwei werten Herren immer wieder fantastische Punk-, Power-Pop- oder auch mal New-Wave-Veröffentlichungen aus. Unter anderem solche Perlen wie Nasty Rumors, Nazi Dogs oder Crazy Squeeze. Aber eben auch Botox Rats, The Gaggers und Miscalculations. Drei Bands, die eines gemeinsam haben, nämlich den Sänger, der gleichzeitig halt NFT-Records betreibt: Marco Palumbo-Rodrigues.

Seines Zeichens ein nimmermüder Freak, der ständig mindestens zwei enorm geile Bands am laufen hat und dann auch noch dieses wahnsinnig gute Label unterhält, auf dem fast ausschließlich 7“ erscheinen. Wenn man sich mal halbwegs in die Arbeit zweier Bands und eines Label reindenkt, dann wird einem unweigerlich recht schnell schwindelig aufgrund des Arbeitsaufwandes. Einen nicht unbedeutenden Nachteil, dass der Kerl so megamäßig umtriebig ist: Seine Bands treten auf dem europäischen Festland so gut wie nie auf. Ne ziemlich traurige Angelegenheit, die mich nur nicht in Tränen ausbrechen lässt, weil es in England und auch London nicht wirklich anders aussieht.

Was mich bei Botox Rats aber wundert ist, dass es dieses Album überhaupt gibt. Also nicht, dass das nicht ein genialer Streich in zehn Akten ist. Aber einen überaus markanten Unterschied zu The Gaggers besteht nicht, außer die weiteren Bandmitglieder. An sich ist mir das aber wumpe. Mich freut es ja schon wieder diese nölig-zeternde Stimme zu hören, die sich wie ein Siebenjähriger anhört, wenn er ins Bett soll und klagt, dass Erwachsene so viel mehr dürfen. Dazu die passenden knarzig-fordernden Gitarren und die treibende Beatabteilung aus Bass und Drums, fertig ist das ’77er-Album des Jahres 2017. Kein Witz, Botox Rats‘ „Nasty Business“ gefällt mir so außerordentlich gut, weil es durch die rotzige Mittelfinger-Attitüde heraussticht. Gegen wen der auch immer gerichtet sei, es ist gut, dass er so schön gerade steht. Können sich daran bitte alle mal ein Beispiel nehmen? Also im Sinne von No Future/Fuck Future. Ich bin dabei!

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Band: Gibt’s leider keinen Link dazu.

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!Mess! – Tales From The Heart

Uiuiui, !Mess! stammen aus Österreich, was als Alleinstellungsmerkmal schon nicht schlecht ist. Denn außer Missstand fällt mir auf Anhieb keine andere Band ein, die was mit Punk in dem Land zu tun hat. Darüber hinaus hatte ich Anfang der Nullerjahre regelmäßig Kontakt zum Teeange Riot Mailorder, der die Pogo Presse verkaufte – ein richtig gedrucktes Teil, das ich mit Freunden machte. Der hat allerdings ebenso dicht gemacht wie das einzige Fanzine, das ich aus Österreich kannte, „Das Oi! The Print“ – während der Schreibenspause segelte hier das Chelsea’s Choice rein. Das neue Zine des ehemaligen OTP-Macher. So sieht es in unserem Nachbarland nicht nur politisch noch düsterer aus als in Schland, auch in Bezug auf Punkrock geht da nicht viel. Sollte ich da allerdings falsch liegen, dann lasst es mich dringend wissen.

 

Davon abgesehen denke ich, dass !Mess! mit „Tales From The Heart“ ohnehin für einige Aufmerksamkeit bei Leuten sorgen wird, die ein Faible für gut gespielten rock-rotzigen Punkrock im SoCal-Stil haben. Denn der Vierer hat davon alles, was man dafür braucht. Ein tolles Songwriting, es werden lässige Geschichten erzählt – wobei auch die europäische Flüchtlingspolitik angeklagt wird – und ein Sänger der regelmäßig mit rostigen Nägeln gurgelt, damit das Gesamtbild passt. Für meine Ohren ist das Debüt, der erst 2016 gegründeten Band, allerfeinst. Denn gerade dieses nach abgewetzten Klamotten wirkende, wie eine seit Tagen nicht gewaschene mit Seife einmassierte Frisur, macht die Band mir auch neben dem Sound sehr sympathisch. Daher hoffe ich, dass die Band auch noch die kommenden Jahre besteht. Den dieser wild in den Tag hineingelebte Stil, bereitet mir ganz viel Spaß.

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Alle Alben erschienen übrigens auf dem wunderbaren Label Wanda Records.

Bocky
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