SLIM CESSNA’S AUTO CLUB

Dunkler American Roots Sound

Dass Slim Cessna’s Auto Club Anfang Juni in unseren Graden touren sollten, war mir bekannt. Aber dass sie auch noch spontan den Support von dem mir bis dato unbekannten Nathaniel Rateliff spielen und dementsprechend nochmal für mehrere Wochen in Europa unterwegs sein werden, war bis vor Kurzem an mir vorbei gegangen. Nathaniel Rateliff spielt Rhythm & Blues, vielleicht etwas Gospel und Americana. Wie beliebt dieser Dude ist, sollte sich mir später noch erschließen. Die Frankfurter Batschkapp war rappelvoll und zwar voll mit Freizeitcowboys Marke Fransenjacke, LKW-Uwes und so Musiklehrertypen. Irgendwie nicht die Mischung, die ich auf einem SCAC Konzert erwartet habe. Die bisherigen SCAC Konzerte, welche ich gesehen habe, waren immer in kleineren Venues und kamen einem mehr oder weniger verschworenem, rituellem Happening gleich. Nun, dem war in der Batschkapp nicht so, aber was soll es. SCAC live zu sehen ist immer ein Ereignis und umso mehr freu ich mich, sie in Kürze wieder in kleinen Läden, wie z.B. dem Druckluft in Oberhausen sehen zu können.

Das Interview führte ich vor dem Konzert im Batschkapp-Backstage mit einem sehr entspannten und netten Slim Cessna. Munly schaute nur kurz rein und brachte mich zu der überraschenden Erkenntnis, dass er nicht Jay Munly heißt, wie viele denken mögen. Jay sei nur sein Middle Name und korrekt wäre Munly Munly. Das belegte er, indem er mich einen Blick auf seinen Reisepass werfen ließ. „It’s a family thing“ sagte er, der Name wird weitervererbt.

Viel Spaß mit dem Interview. Seht euch SCAC auf der nächsten Tour an. Tut euch den Gefallen.

Zum letzten Mal hab ich euch im Club „Das Bett“ gesehen, das dürfte so drei, vier Jahre her sein. Seitdem hattet ihr ein paar Besetzungswechsel, nicht wahr?

Slim: Munly, Dwight und ich spielen seit 18 oder 19 Jahren zusammen. Neu sind Rebecca, sie spielt Pedal Steel und Keyboard, Ian O’Dougherty am Kontrabass und Andrew Warner als unser Drummer. Aber die sind auch schon eine Weile bei uns. Ich weiß nicht mehr genau, wann wir im „Bett“ gespielt haben, aber wir waren mindestens drei Mal dort.

Slim Cessna Auto Club existieren nun seit knapp 26 Jahren, was war und ist die konstante Motivation dahinter?

Slim: Totale Sturheit, haha. Ich vermute ich genieße konstantes Scheitern, oder ist es der Struggle? Ich weiß nicht, wir haben einfach nie aufgehört. Ich habe auch nicht wirklich etwas, worauf ich mich zurückfallen lassen könnte. Es hat uns viel Freude bereitet. Erfolg kann man in verschiedenerlei Hinsicht betrachten, nicht zwangsläufig von der finanziellen Warte, aber hier bin ich – in Europa. So fuck it – es ist großartig, haha!

Jetzt supportet ihr die Tour von Nathanial Rateliff, zum Glück habe ich vor zwei Tagen davon gelesen. Ist er ein Kumpel von euch?

Slim: Ja, er kommt auch aus Denver/Colorado Wir kennen die Meisten von ihnen seit Jahren, aus der Musikszene Denvers, sie haben hart gearbeitet, spielen jetzt diese Headliner-Tour und haben uns gefragt, ob wir mit wollen.

Das war eine ziemliche spontane Entscheidung, oder?

Slim: Unser Drummer Andrew ist am Dicksten mit ihnen und sie haben sich unterhalten. So kam eins zum anderen und hier sind wir. Also ja, es war ziemlich spontan, haha.

Slim Cessna AC werden oft als Begründer des sogenannten Denver-Sounds genannt, was hältst du von dem Label, und welche Attribute muss ein Musiker, eine Band haben um evtl. dem zu entsprechen? Außer aus Denver zu kommen.

Slim: Das ist eine interessante Frage, also wir haben uns nie so bezeichnet.

Aber die Musikpresse.

Slim: Ja, ich glaube das kam zum ersten Mal in Europa auf, mit dem Erfolg von 16 Horsepower. In den späten 1980ern war ich in der Band The Denver Gentleman, Munly machte und macht unterschiedlichste Sachen, im Prinzip ist es ein Pool an Leuten die in verschiedenen Bands spielen und die sich immer wieder personell überschneiden. Es ist schwer zu sagen, was genau es ausmacht, die Musik kann dunkel und schwer sein und gleichzeitig eine gewisse Freude ausstrahlen. Storytelling ist auch ein Aspekt. American Roots Music, aber ohne die starren Grenzen. Jeder bringt unterschiedliche Einflüsse ein, aber unter der Oberfläche ist es immer noch ein American Folk Song. Murder Songs, Gospels, all das spielt da mit rein. So viele verschiedene Aspekte, ich glaube sogar die Landschaft spielt eine Rolle.

SCAC ist also auch ein Pool, mit vielen verschiedenen musikalischen Projekten der jeweiligen Musiker?

Slim: Ja, alle von uns haben schon in anderen Bands gespielt, oder spielen auch immer noch in anderen Zusammenhängen.

Lebst du, lebt ihr auch noch alle in Denver?

Slim: Ja, ich lebe wieder in Denver, seit vier Jahren. Davor habe ich 15 Jahre woanders gewohnt. Ich hatte eine Familie und wir haben einen Ort gesucht wo wir es uns leisten konnten zu leben, inzwischen sind meine Kinder erwachsen und ausgezogen, also konnte ich nach Hause zurückkehren.

Ihr kommt im Juni auf eure eigene Headliner-Tour zurück, daheim tourt ihr auch noch etwas. Was macht ihr, wenn ihr nicht tourt?

Slim: Ich versuche mich auszuruhen für die nächste Tour, haha. Manche von uns haben ein paar Nebenjobs. Es ist gar nicht so einfach, etwas zu finden, was dir immer wieder erlaubt zu touren. Daheim helfe ich einem Kumpel alte Computer aufzuwerten und zu verkaufen. Ich bin 52, ich nehme mir immer zu viel vor und komme dann doch an meine Grenzen.

Versucht ihr euch auf Tour immer so professionell wie möglich zu verhalten. Das heißt, keine Drinks nach der Show und direkt zum Hotel? Keine Dummheiten?

Slim: Ich arbeite gerade immer noch an meinem Kater,haha. Andrew hat mir gestern Abend ein Glas Whiskey in die Hand gedrückt, ich hatte mir vorher fest vorgenommen keinen zu trinken, heute morgen hatte ich dann keinen Plan wie ich ins Bett gekommen bin. Wir geben unser Bestes. Ich mag, dass wir dafür bezahlt werden, uns wie Idioten zu benehmen, ich denke das ist Rock ’n‘ Roll.

Eure Musik und Texte sind oft düster und poetisch. Geschichten von Sündern, Predigern und bösen Gestalten, zum Beispiel „This is how we do things in the country“. Woher bezieht ihr eure Inspirationen?

Slim: Das ist interessant, ich wirke zwar immer mit, aber die meisten Songs, eigentlich die letzten drei Alben sind komplett von Munly. Er ist wirklich ein außergewöhnlicher Texter und Geschichtenerzähler. Yeah, er denkt sich Dinge aus, da würde ich im Leben nicht drauf kommen. Ich glaube er hat seine komplett eigene Welt im Kopf, sogar mit ausgedachten Sprachen. Ich glaube es sind weniger reelle Charaktere aus Beobachtungen, er entwirft, kreiert diese Dinge vielmehr. Die sind oft sehr düster, aber auch manchmal humorvoll. In etwa wie in klassischer amerikanischer Literatur, wie z.B. bei Cormack McCarthy. Da ist etwas tief unten, unter verschiedenen Schichten.

Wie z.B. bei dem Song „Pine Box“, da hab ich auch immer das Gefühl, es switcht von einer Stimmung in eine andere, da ist dieser Break und auf einmal wird es fast schunkelig.

Slim: Yeah, stimmt. Die Songs können sich in eine ziemlich unerwartete Richtung entwickeln. Unser Job als Band und mein Job als Hauptsänger ist es, meinen Platz in dieser Welt zu finden in diesen Songs, ohne genau zu wissen, was er denkt, wenn er es schreibt. Es ist faszinierend, vielleicht beleuchte ich die Texte auch nochmal von einer anderen Perspektive. Vielleicht ist es auch Absicht, dass sie so vielseitig interpretierbar sind und wir versuchen das mit Musik, die in gewissem Sinne dicht ist, also aus Schichten verschiedener Klänge und Geräusche. Wir versuchen, diese Schichten ineinander zu verweben und damit etwas vor dem geistigen Auge zum Leben zu erwecken. Ein großes Kompliment an Munly!

Inwiefern sind Filme, oder Literatur eine Inspiration für euch? Poe, Lovecraft?

Slim: Da gibt es massig Inspirationen. Ich kann nicht für Munly sprechen, aber Literatur ist eine große Inspirationsquelle. Wir wollen etwas erschaffen, keine unzusammenhängenden Wörter und Phrasen, sondern Geschichten erzählen, das fehlt manchmal im speziellen in der Pop-Musik. Aber das war nicht immer so, die amerikanische Folkmusic hatte da früher einiges zu bieten. Die deutsche Folkmusic sicher auch …

Da muss ich dich enttäuschen, die deutsche Volksmusik ist so ziemlich das schlimmst degenerierteste was musikalisch und auch textlich möglich ist. Ich kann dir nicht genau sagen, wie es vor der Nazidiktatur war, aber nach dem Krieg wurde nur noch berieselt und die Musik hatte keinerlei Botschaft, keine Geschichten und Leute schunkelten und schunkeln immer noch debil dazu. Aber die alte europäische Volksmusik, slawische, irische, deutsche, Polkaklänge bilden die Roots, die Wurzeln amerikanischer Folkmusic.

Slim: Yeah, sie erzählen Geschichten davon, wo jemand herkommt, was bei ihnen passiert ist, oft schreckliche Stories. Auch angsteinflößende Geschichten. In Amerika dann auch oft mit Gospel-Sounds vermengt.

Habt ihr einen religiösen Background?

Slim: Nicht alle von uns, aber ich mit Sicherheit. Mein Vater ist ein Baptist-Prediger. Er ist jetzt in Rente. Ich bin in der Kirche aufgewachsen und ich überlege immer noch, ob das gut oder schlecht war. Ich hab es noch nicht herausgefunden. Mir ging es gut, ich kann mich nicht beschweren, also war es vermutlich gut, mein Vater ist ein wunderbarer Typ, meine Eltern waren großartig. Aber ich hatte meine Schwierigkeiten, so wie sie wahrscheinlich jeder hatte, oder in dem Fall hätte.

Mit dem Glauben?

Slim: Yeah, mit dem ganzen Ding, speziell damit, wie Religion mit unserer Kultur, Gesellschaft und der Politik verwoben ist. Es sitzt so tief und es kann schrecklich sein, so schräg, abergläubisch und fanatisch. Aber es gibt durchaus auch Gutherzigkeit und andere positive Dinge, die mit dem Glauben verbunden sind. Aber mehr als all das interessiert mich die Geschichte der Gospelmusik. Gospelmusik hat einen großen Anteil daran, dass es Rock ’n‘ Roll gibt. Es ist das Herz der Energie. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass es ohne die amerikanische Kirche gar keinen Rock ’n‘ Roll gäbe. Dieser Fanatismus … sich so in etwas, in Musik zu verlieren – Musik hat eben auch immer etwas Spirituelles und validiert eine Religion. Es ist wie in jeder Gemeinschaft, man macht, singt und glaubt an die selben Dinge, dann kriegt man eine Gänsehaut und es stehen einem die Haare zu Berge. Das ist wie bei einer guten Rockshow. Alle zusammen erleben etwas Gemeinsames. Wie ein Ritual. Das geht auch bei den Dead Kennedys.

So ging es mir, als ich euch das erste Mal gesehen habe. Meine Freundin und ich haben einen unterschiedlichen Musikgeschmack, aber als wir euch auf der Bühne, eure Show gesehen haben, da hatten wir auch diese Gänsehaut und dieses Erlebnis.

Slim: Oh wow, sehr gut, haha. Und uns geht es eben genauso auf der Bühne. Es ist echt! Ein reales Ding, was in dem Moment passiert und alle verbindet.

Denver ist nicht Teil des Bible Belts, aber hat Religion da eine ähnlich tiefe Verwurzelung? Ihr habt viele christliche, mythologische Anleihen in euren Songs, in eurer Ästhetik.

Nein, Denver gehört nicht zum Bible Belt und es ist auch nicht wie im Süden, oder im mittleren Westen, es ist offener in Colorado. Mein Vater war ein Prediger und es gibt definitiv viele Kirchen, aber es hat auch noch etwas von diesem ursprünglichen, diesem Push West, aus den Siedlungszeiten, ein anderer Schlag Menschen, viel unabhängiger als im Bible Belt. Das ist auch etwas, was man auch noch in Portland, San Francisco oder Seattle spürt. Eine Unabhängigkeit, die noch aus der Zeit des Goldrauschs rührt, aber wovon rede ich eigentlich, haha. Ja, wir nutzen diese Symboliken und es gibt diesen Literaturstil, den man Southern Gothic nennt und der hat uns definitiv stark beeinflusst, da kann man den Bogen spannen.

Warum spielt das in Denver so eine große Rolle? Bands wie 16 Horsepower und Woven Hands haben das ja zum Beispiel auch.

Slim: Ja, das stimmt und ich weiß nicht, warum. Die meisten von uns waren Teenager in den Achtzigern und mochten die gleichen Dinge, waren die Kids, die in Kirchen aufwuchsen und gleichzeitig total an Musik interessiert waren. Wir fanden uns, wie z.B. David von 16 Horsepower und ich uns fanden. Wir mochten Punkrock, Joy Division, Birthday Party: Dunklere Musik, vermute ich. Wahrscheinlich, weil wir in so einer Umgebung aufwuchsen, die so repressiv, oder bedrückend sein konnte, speziell für jemanden der Punkrock Musik mochte … Außerdem mochten wir Country Musik, wir haben versucht, es nicht zu mögen, es hat nicht funktioniert – wir konnten dem also nicht wirklich entkommen. Also haben wir uns gesagt, warum benutzen wir es nicht? Depression, Religion, Glaube, diese Anteile, wir haben einfach versucht, wir zu sein.

Auf dem Commandment Album, dem letzten SCAC Album, der erste Song The First Commandment, worum geht es da?

Slim: Das ist eine gute Frage. Für mich ist es vermutlich etwas völlig anderes als für Munly. Viel Glück beim Herausfinden, worum es in den Songs geht, haha. Ehrlich, Dwight und ich saßen beisammen und sagten, manchmal musst du dich einfach davon mitreißen lassen, und wenn du drin bist, fliegen dir die Worte um die Ohren und du hast keine fucking Ahnung, was da gerade passiert, das ist ziemlich großartig!

Wie sehen eure Zukunftspläne aus?

Slim: Für den Auto Club haben wir Songs geschrieben, die müssen jetzt noch aufgenommen werden. Aber das nächste Ding für Dwight, Munly, Rebecca und mich wird das nächste Denver Broncos UK Album sein, das sollte im Herbst rauskommen. Auf Glitterhouse Records, einem deutschen Label. In Amerika bringen wir es auf unserem eigenem Label raus.

Ihr bringt eure Musik in Amerika auf eurem eigenen Label raus, wieso nicht mehr auf Alternative Tentacles? Auf dem sind eure ersten Platten erschienen.

Slim: Yeah, Alternative Tentacles ist ein großartiges Label und Jello Biafra ein guter Freund und Familie. Wir waren 15 Jahre auf dem Label und hatten das Gefühl, wir stecken etwas fest und kommen nicht wirklich weiter und mit all den Möglichkeiten, die man im Internet hat, haben wir es einfach selbst versucht und es funktioniert ganz gut. Jetzt kommt alles direkt zu uns und wir haben alles selbst in der Hand. Und es bleibt auch ein bisschen für uns hängen, wir haben zwar auch für alles in Vorkasse zu gehen, aber es bleibt einfach mehr direkt bei uns. Was wichtig ist, denn man verkauft nicht mehr so viele Platten wie früher. Es war einfach die richtige Zeit für uns, diesen Schritt zu gehen.

Hast du ein paar letzte Worte?

Slim: Das war ein gutes Interview, hat Spaß gemacht, vielen Dank!


Die Tourankündigung in laufenden Bildern

Info:

Homepage, Facebook

Denver Bronco’s UK

Glitterhouse Records: Homepage, Facebook

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